US-Behörde bläst Regulierung von Suchmaschinen und Sozialen Netzwerken ab

Der Telecom-Regulierer FCC wird einen Trump-Erlass nun doch nicht umsetzen. Der US-Präsident wollte Soziale Netzwerke sowie Suchmaschinen einschränken.

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Pai beim Tanz mit 4 weiteren Leuten

Der scheidende FCC-Vorsitzende Ajit Pai beim Harlem Shake

(Bild: Screenshot)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die US-Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission) wird einen Erlass Donald Trumps zur Umdeutung eines bestehendes Gesetzes ("Section 230") nicht umsetzen. Das hat der Republikanische FCC-Vorsitzende Ajit Pai in einem TV-Interview mitgeteilt. Seinen Entschluss begründete der FCC-Chef mit dem Ergebnis der US-Wahlen.

Nun gäbe es "nicht genug Zeit, die notwendigen Schritte zu setzen", sagte Pai im Interview mit dem nicht-kommerziellen Fernsehsender C-SPAN. Ob die FCC überhaupt bestehende und über Jahrzehnte ausjudizierte Gesetze neu deuten darf, ist umstritten. Der Republikanische FC-Commissioner Michael O'Rielly beispielsweise hatte das in Frage gestellt, woraufhin Trump O'Reilly durch Nathan Simington ersetzen ließ. FCC-Chef Pai selbst hat angekündigt, sein Amt gleichzeitig mit dem Ende der Amtszeit Donald Trumps in neun Tagen niederzulegen.

Section 230

Section 230 schützt interaktive Onlinedienste, die von Nutzern generierte Inhalte verbreiten, unter bestimmten Voraussetzungen davor, für diese Inhalte verantwortlich gemacht zu werden. Schließlich ist es Facebook, Twitter und Co. unmöglich, jedes Posting eines Users vor Veröffentlichung auf Wahrheitsgehalt oder mögliche Rechtswidrigkeit zu überprüfen.

Es gibt Ausnahmen, etwa bei Copyrightverletzungen oder Verweisen auf Prostitution, die gelöscht werden müssen. Zudem daf der Betreiber durch seine Nutzungsbedingungen Nutzern weitere Vorgaben machen. Tritt er allerdings darüber hinaus als Redakteur auf, verliert er die Immunität. Das Gesetz soll keine Herausgeber schützen, die für sich selbst veröffentlichen, sondern Betreiber, die technische Infrastruktur für Dritte bereitstellen.

Der Ausgangspunkt liegt im Mai 2020: Damals wies Twitter zum ersten Mal auf Irreführung durch einen Tweet Donald Trumps hin. Das erzürnte den Präsidenten. Mittels Erlass setzte Trump Behörden auf Twitter, Google, Facebook & Co an. Sein Ziel ist eine neuartige Anwendung des als "Section 230" bekannten Gesetzes.

Trump wies die Regulierungsbehörden FTC und FCC sowie die Gesetzgeber aller einzelnen US-Staaten an, neue Vorschriften für Bing, Facebook, Google, Instagram, Twitter und YouTube zu erlassen. Zudem sollten Bundesbehörden ihre Werbeausgaben umschichten.

Die beiden Republikanischen FCC-Mitglieder Ajit Pai (links) und Michael O'Rielly (rechts) auf der International CES 2015 in Las Vegas. O'Rielley wurde 2020 von seiner Partei fallengelassen, Pai tritt am 20. Jänner 2021 zurück.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Zwar hat Trump selbst keine Befugnis, ein Gesetz zu ändern. Allerdings könnte schon das Bestehen des Erlasses abschreckend auf Entscheidungen der Betreiber gewirkt haben – Twitter, Facebook & Co ließen Trump und mehrere hochrangige Unterstützer wilde Phantasien über angeblichen Wahlbetrug und andere vermeintliche Verbrechen Andersdenkender verbreiten. Erst nach dem von Trump initiierten Umsturzversuch am Mittwoch sperrte Twitter Trump. Dann sperrten auch Facebook und Instagram Trump.

Wie es mit Section 230 weitergeht, steht offen. Trump möchte das Gesetz einfach abschaffen. Im Wahlkampf hat sich auch der designierte US-Präsident Joe Biden für eine sofortige Abschaffung der Section 230 ausgesprochen. Während Trump die Einmischung Twitters und anderer Plattformen in seine Äußerungen stören, hält Biden es für "unverantwortlich", dass Facebook Userpostings nicht bearbeitet bevor sie online gehen.

Und da endet auch schon die Einigkeit: Vertreter beider Parteien sind zumindest für Änderungen der Section 230. Doch während die Demokraten wünschen, dass die Plattformbetreiber mehr zensieren, wollen die Republikaner, dass selbst gefährliche Lügen genauso verbreitet werden können wie Katzenfotos.

Pai äußert sich nun diplomatisch und vermeidet die Erwähnung des Namens Trump: Section 230 sei ein "sehr kompliziertes Thema", das das Parlament "sorgfältig untersuchen" müsse. Auf die Frage ob die Entscheidung zahlreicher Plattformbetreiber, Trumps Konten nach dem Umsturzversuch zu schließen, richtig gewesen sei, antwortete Pai ausweichend: Angesichts der Gewalt am Capitol wolle er diese Entscheidungen nicht hinterfragen.

Zumindest Twitter, Facebook, Instagram, Snapchat, Reddit, Twitch und Discord haben Trumps Konten beziehungsweise Foren von Trump-Anhängern geschlossen. YouTube hat den Videopodcast des ehemaligen Trump-Berater Steve Bannon gelöscht. Zunächst hatte Twitter Trump gesperrt, aber nur für zwölf Stunden. Es folgte eine dauerhafte Sperre. Inzwischen musste Twitter auch das offizielle Konto des US-Präsidenten @POTUS sowie das Konto der Wahlkampagne Trumps sperren. Denn der Präsident nutzte diese Konten, um weitere unwahre Behauptungen zu twittern.

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Apple und Google haben die App des Twitter-Klons Parler, über den sich viele Teilnehmer des Umsturzversuches koordiniert hatten, aus den App-Stores verbannt. Amazon schließt Parler von Amazon Web Services aus. Shopify hat Trumps Fanshops geschlossen, und der Zahlunsgdienstleister Stripe bearbeitet keine Spenden an Trumps Kampagne mehr.

(ds)