Vor 10 Jahren: Stephen Elop springt von Nokias "brennender Plattform"

Seite 2: Android rollt den Markt auf

Inhaltsverzeichnis

2009 der letzte Schrei: Das T-Mobile G1 ist das erste Android-Smartphone.

(Bild: heise online)

Im Herbst 2008 kam mit dem T-Mobile G1 das erste Android-Smartphone auf den Markt. Zwei Jahre später hat Android einen Marktanteil von rund 30 Prozent – zu Lasten von Blackberry, Symbian und vor allem Windows. Auf dem Mobile World Congress 2010 bündeln Intel und Nokia ihre Kräfte und wollen mit dem offenen Betriebssystem MeeGo die Wende einleiten. MeeGo sollte Nokias N-Serie wettbewerbsfähig machen. Symbian hat damit keine Zukunft mehr.

Doch glaubt der Verwaltungsrat da schon nicht mehr, dass der Kurswechsel mit Kallasvuo gelingen kann. Schon länger wurde über die Entlassung des CEOs spekuliert. Im Spätsommer 2010 wurde es dann offiziell: Nokia wirbt Office-Manager Stephen Elop von Microsoft ab. Der braucht nicht lange, um den Ernst der Lage zu erfassen – und schreitet zur Tat. Es gibt Gerüchte, dass er alte Zöpfe wie Symbian und MeeGo radikal abschneiden und alles auf eine Karte setzen will: Windows Phone.

Elop nahm keine Rücksicht auf finnische Gefühle. Der Kanadier legte den Finger in die offene Wunde: "Das erste iPhone wurde 2007 ausgeliefert, und wir haben immer noch kein Gerät, das ihm gleichkommt", schrieb Elop in seinem Bohrinsel-Memo. "Android betrat die Szene gerade einmal vor zwei Jahren, und in dieser Woche haben sie unsere Führungsrolle bei Smartphone-Auslieferungen übernommen. Unglaublich." Zu behäbig sei Nokia darin, die eigene Innovationskraft auch auf die Straße zu bringen. "Wir müssen uns also entscheiden, wie wir entweder ein Ökosystem bauen oder es vorantreiben oder uns an einem Ökosystem beteiligen."

Die Entscheidung war da längst gefallen. Elop springt und wird unten von Steve Ballmer aufgefangen. In einer denkwürdigen Pressekonferenz am 11. Februar 2011 erklären die Ex-Kollegen ihren Deal. "Wir hatten drei Optionen", sagte Elop: Ein eigenes "Ökosystem" mit MeeGo aufzubauen, auf den schneller werdenden Android-Zug aufzuspringen oder sich mit Microsoft ins Bett zu legen. Für eine interne Lösung fehlte Elop das Vertrauen, Nokia könne das schnell genug bewältigen. Bei Android sah er die Gefahr, Nokias Alleinstellung zu verwässern: "Android ist ein schwarzes Loch."

Also Türchen Nr. 3: Windows Phone versprach "einen schnelleren Zugang zum Markt", auch wenn der Anteil noch klein war. Microsoft sah die Chance, seine junge, noch unfertige Plattform mit konkurrenzfähiger Hardware vom Marktführer attraktiver zu machen. Elop und Ballmer wollen den Wettbewerb mit Android und iOS aufnehmen: "Es sind jetzt drei Pferde im Rennen". Die Konkurrenz spottet. "Zwei Truter ergeben noch keinen Adler", twittert Google-Manager Vic Gundotra.

Er sollte Recht behalten. Elops Wette ging nicht auf. Nokias Marktanteile sanken trotz solider Smartphones. Windows Phone, obwohl inzwischen zu einem guten Betriebssystem gereift, konnte sich nicht durchsetzen. Elop bekam kalte Füße und Gerüchte über ein geplantes Android-Smartphone machten die Runde. Ballmer kam der befürchteten Abwendung von Windows Phone zuvor: Für rund 5,5 Milliarden Euro verleibte sich Microsoft Nokias Handysparte ein.

Ballmer war da schon auf dem Absprung, kurz zuvor hatte Microsoft den Generationswechsel an der Konzernspitze angekündigt. Die Nokia-Übernahme war Ballmers letzter Deal – und wohl sein größter Fehler. Nur ein Jahr später stellt sich sein Nachfolger Satya Nadella der Realität und wickelt das Handy-Geschäft gnadenlos ab. Abertausende Mitarbeiter, die meisten von ihnen Ex-Nokianer, verlieren ihre Jobs. Microsoft schreibt einen Milliardenbetrag ab und begräbt seine Smartphone-Ambitionen endgültig. Elop muss gehen.

Die Plattform ist abgebrannt. Nokia-Smartphones gibt es wieder, aber von einem neuen Hersteller, der aus den Ruinen des Microsoft-Desasters eine Lizenz für die immer noch wertvolle Marke erworben hat. Was bleibt, ist die Erkenntnis, ist die Erinnerung an das Nokia N9, das für einen kurzen Moment den Blick auf eine alternative Zeitlinie freigab. Und MeeGo hat das Desaster überlebt: Bei Jolla entwickeln ehemalige Nokianer das System als SailfishOS weiter, in Kürze erscheint Version 4.0.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

(vbr)