Warnsystem für österreichische Handys kommt im Sommer

Gebührenfreie Warnungen vor Katastrophen oder Suchaufrufe nach vermissten Kindern wird es ab Sommer auch in Österreich geben. Mit jahrelanger Verspätung.​

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Steinernes Haus mit gebrochenen Fenstern; aus der Garage quillt ein Haufen aus Steinen und Felsbrocken

Wenn es stark regnet und der Bach plötzlich durchs Haus fließt...

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

Mit jahrelanger Verspätung erhält Österreich ein System für behördliche Alarme auf Handys. Ab Sommer sollen dort mittels Cell Broadcast gebührenfrei Warnungen vor Katastrophen, Suchaufrufen bei abgängigen Kindern und ähnliche dringende Mitteilungen auf Mobiltelefone geschickt werden. Geplant war das bereits für 2019.

Deutschland hat Cell Broadcast am 23. Februar 2023 aktiviert und setzt es seither intensiv ein – im ersten Jahr gab es in Deutschland nicht weniger als 219 Alarme. In den USA werden behördliche Notfall-Mitteilungen bereits seit 2012 an Handys verteilt. In Tansania wurde Cell Broadcast 2008 eingeführt, um jeweils von der aktuellen Netzauslastung abhänge Rabatte auf Mobilfunktarife anzuzeigen. Erstmals öffentlich vorgeführt wurde das System sogar schon 1997. Es sendet rundfunkartig Nachrichten an alle kompatiblen Smartphones, die in einer Funkzelle eingebucht sind, unabhängig von deren Rufnummer – daher die Bezeichnung Cell Broadcast. Allerdings zeigt nicht jedes Mobiltelefon die Mitteilungen automatisch an. Je nach Modell muss der Anwender im Voraus passende Einstellungen vornehmen.

Bei Katastrophenfällen in Deutschland werden die Warnungen von den Lagezentren der Bundesländer sowie von den Leitstellen der Landkreise und kreisfreien Städte abgesetzt. In Österreich sind zehn Absender vorgesehen: das Innenministerium sowie die ebenfalls für Zivilschutz zuständigen Landeswarnzentralen der neun Bundesländer.

Seit Mittwoch verfügbare Softwareupdates für gängige Smartphones sollen sicherstellen, dass sie die Warnmitteilungen auch erhalten und anzeigen. Digitalstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP) ruft die Österreicher daher dazu auf, die Updates einzuspielen. Ein genaues Datum für die Inbetriebnahme von Cell Broadcast kann er noch nicht nennen, jedenfalls soll es im Sommer so weit sein.

Kein Ruhmesblatt für Turskys Partei ist, dass Österreich sein Warnsystem erst 2024 erhält. Die Österreichische Volkspartei regiert Österreich mit wechselnden Koalitionspartnern durchgehend seit Anfang 1987 – unterbrochen nur von einer Beamtenregierung, die 2019 sieben Monate übergangsweise die Amtsgeschäfte führen musste, nachdem eine ÖVP-FPÖ-Regierung in einem Korruptionsskandal ("Ibiza") untergegangen war. Der einst zuständige Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) kündigte die Umsetzung für 2019 an, erließ aber keine Verordnung zur Regelung der technischen Umsetzung. Ein neues österreichisches Telekommunikationsgesetz schrieb die Einführung dann bis längstens 21. Juni 2022 vor, eine EU-Verordnung setzte den 21. September 2022 als spätesten Termin.

Alle Fristen verstrichen. Erst vor einem Jahr kam die notwendige Verordnung zur Umsetzung von Katastrophenschutz mit Cell Broadcast in Österreich. Sie legte fest, über welche technischen Parameter sich die Mobilfunker mit Innenministerium und Landeswarnzentralen einigen mussten und welches Protokoll genutzt wird.

Die Verordnung schreibt vor, dass jeder österreichische Mobilfunkbetreiber zwei voneinander unabhängige Ausspieleinrichtungen (Cell-Broadcast Center, CBC) betreibt. Technisch setzt Österreich auf das Common Alerting Protocol CAP 1.2 von OASIS in der Ausformung AT-Alert. AT-Alert verzichtet auf viele optionale Parameter, um das System einfach zu halten. Das Zielgebiet einer Aussendung ist in maximal zehn Polygonen zu definieren, die insgesamt maximal hundert geografische Koordinaten haben dürfen. Die Netzbetreiber wählen dann die jeweils passenden Mobilfunkzellen aus – was sich natürlich von Netz zu Netz unterscheiden kann. Im Randbereich eines Warngebiets ist also möglich, dass in einem Netz eingebuchte Handys eine Warnung anzeigen, in einem anderen Netz eingebuchte Telefone aber nicht.

Die Nachrichten sind im Format UTF-8 zu gestalten und dürfen bis zu 4096 Zeichen lang sein. Als Sprachen sind "Deutsch" und "Andere" definiert. Die Warnungen werden wiederholt ausgeschickt, je nach Dringlichkeit minütlich bis zehnminütlich. Die Wiederholungen dienen dazu, Endgeräte zu erreichen, die bei früheren Versuchen nicht eingebucht waren. Durch eine eindeutige Identifikationsnummer wird sichergestellt, dass ein Handy dieselbe Warnmitteilung kein zweites Mal anzeigt, selbst wenn es das Mobilfunknetz gewechselt haben sollte.

Multimedia-Elemente gibt es nicht, weil deren Massenversand die Netze überlasten könnte. Hyperlinks könnten theoretisch im Text enthalten sein, doch ist deren Einsatz umstritten: Wenn zigtausende Empfänger gleichzeitig den Link zu einer Webseite oder einer Telefonnummer klicken, könnte das Netz erst recht wieder ins Wanken geraten.

(ds)