Wasserstoff: Speicherbetreiber warnen vor zu großem Pipelinenetz

Die Leitungsbetreiber hatten im November einen Plan vorgelegt, jetzt reagieren die Speicherbetreiber: Wie groß muss Deutschlands Wasserstoff-Netz werden?

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Wasserstoff-Leitungen

(Bild: Swen Gottschall / Zukunft Gas)

Lesezeit: 4 Min.
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Die Initiative Energien Speichern (INES) warnt davor, dass in Deutschland viel zu große Wasserstoff-Transportnetze gebaut werden könnten. Der Lobbyverband der deutschen Untergrund-Erdgasspeicher hat dazu einen Antragsentwurf der Fernleitungsnetzbetreiber von Energieexperten untersuchen lassen. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass ein hohes Risiko bestehe, dass mittel- und langfristig Überkapazitäten geschaffen werden. Es wird deshalb dazu geraten, vorerst nur jene Teile des Kernnetzes aufzubauen, die auch in nicht so optimistischen Szenarien nötig wären.

Bei der Verlautbarung der INES geht es auch um das eigene Anliegen der Speicherbetreiber, welche Rolle diese künftig in einer Wasserstoffwirtschaft spielen werden. Die Kurzanalyse der Aurora Energy Research hat sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, wie zum Beispiel die Wasserstoffversorgung flexibel gestaltet werden kann. Während die Netzbetreiber den Wasserstoff im Bedarfsfall lieber über Leitungen aus dem Ausland importieren möchten, setzen die Speicherbetreiber auf eine stärkere "inländische Bereitstellung von Flexibilität", also in Form von Untergrundspeichern.

Aus Sicht der Steuerzahler ist mit der Frage der Strategie die Kostenfrage verknüpft, da Überkapazitäten über die Energiepreise am Ende auf alle Verbraucher umgelegt werden würden. Hier warnt die Kurzanalyse vor einer "sehr unsicheren Planungsperspektive". Der Markt für so genannten grünen Wasserstoff befinde sich noch in seinen Anfängen. Es handelt sich dabei um Wasserstoff, der per Elektrolyse gewonnen wird, bei dem der Energiebedarf aus erneuerbaren Energien gedeckt wird.

Befürworter eines überdimensionierten Netzes argumentieren, dass damit vermieden werden kann, dass es im Erfolgsfall rasch zu Engpässen in der Infrastruktur kommt. Zusätzliche Leitungen bräuchten Jahre bis zur Realisierung. Die INES vermutet hingegen, dass die erwarteten enormen Wasserstoffverbrauchsmengen, die dem Antragsentwurf der Netzbetreiber zugrunde liegen, eher Wunschdenken sein könnten. Die Zuhilfenahme von Speichern könnten die Investitionskosten ins Netz senken.

So soll in Deutschland nach Ansicht der Fernleitungsbetreiber das Wasserstoff-Kernnetz aussehen.

(Bild: FNB)

Die Fernleitungsnetzbetreiber übermittelten der Bundesnetzagentur und dem Bundeswirtschaftsministerium im November 2023 ihren Antragsentwurf. Dieser sieht ein 9.700 Kilometer langes Kernnetz vor, das zum größten Teil – zu 60 Prozent – aus umgestellten Erdgasleitungen bestehen würde. Die Investitionskosten werden mit 19,8 Milliarden Euro beziffert. Das Wasserstoffnetz soll bis zum Jahr 2032 realisiert werden. Im Jahr 2025 könnte mit der Umstellung erster Leitungen für das Kernnetz begonnen werden. Im Jahr 2023 wurde in Niedersachsen bereits eine Erdgas-Fernleitung umgebaut. Voraussichtlich im ersten Quartal dieses Jahres werden die Netzbetreiber ihren finalen Antrag stellen, in den bis zum 8. Januar eingegangene Eingaben einfließen sollen.

Laut Aurora-Analyse ist das Wasserstoff-Kernnetz der Leitungsbetreiber auf eine Verbrauchsmenge von bis zu 279 Terawattstunden ausgelegt. Selbst optimistische Szenarien der INES-Gutachter gehen für die mittlere Perspektive bis zum Jahr 2030 nur von Verbrauchsmengen von bis zu 123 Terawattstunden aus. Die Nachfrageschätzungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fielen mit bis zu 130 Terawattstunden ebenfalls niedriger aus.

Langfristig bis 2050 weisen die Aurora-Szenarien mit 303 bzw. 562 TWh deutlich höhere Wasserstoffverbrauchsmengen aus. Allerdings gehen die Gutachter trotzdem von weniger Importbedarf aus, da der Wasserstoff in höherem Maße in Deutschland selbst erzeugt werden könnte. Bis zum Jahr 2023 könnten so 23 Prozent des Wasserstoffbedarfs, bis 2050 sogar 28 Prozent der Nachfrage abgedeckt werden. Eine größere Menge könnte zudem per Schiff importiert und müsste nicht über Grenzübergangspunkte an Land transportiert werden. Per Pipeline könnte Wasserstoff aus Norwegen und Dänemark sowie aus der Mittelmeerregion bezogen werden.

(mki)