Cebit

Wolkiger Einstand für die Wachstumsbranche

Getragener und ernster als die Eröffnung 2004 wirkte der Auftakt zur CeBIT 2005. Bundeskanzler Schröder hob hervor, dass sich die IT-Branche als Wachstumsmotor erweise.

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Harfenklänge statt Boogie und sphärisches Blau statt tanzender Roboter: Der Einstand zur CeBIT 2005 erschien doch etwas wolkiger als die Eröffnung im Vorjahr. Ernster aber war sie auch. Während 2004 Sony-Chef Kunitake Ando mit seinen Qrios die versammelte Führungsriege der IT-Branche zum Lachen brachte, entwarf SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann in diesem Jahr ein ernstes Szenario der Zukunft der IT-Branche, einschließlich der Abschaffung der 35-Stunden-Woche.

Bundeskanzler Gerhard Schröder bezeichnete in seiner Eröffnungsrede zur CeBIT die wieder erstarkte Industrie als Wachstumsmotor für die deutsche Wirtschaft. Allein 2004 hätten deutsche IT-Unternehmen beim Export um mehr als 10 Prozent zugelegt, sagte Schröder. "Das ist Ausdruck für die Konkurrenzfähigkeit und die Exzellenz der Branche." Die Unternehmen hätten die "Möglichkeiten einer globalisierten Wirtschaft konsequent genutzt", hob der Kanzler hervor. So wie zur ersten CeBIT vor 19 Jahren sei es wieder angebracht, ein Signal zum Aufbruch zu setzen. Die Branche habe nach dem "Durchstarten" im vergangenen Jahr wieder Arbeitsplätze geschaffen.

Die IT-Branche habe die Möglichkeiten einer globalisierten Wirtschaft wohl am konsequentesten genutzt. Tempo und Härte eines globalen Marktes seien mit Schwierigkeiten, aber auch mit Chancen verbunden. Die Branche wisse, dass sich Standfestigkeit auszahle -- gerade nach dem Platzen der "New-Economy-Blase", betonte Schröder.

Zum Thema Abgaben auf PCs sagte Schröder, in Deutschland sollten keine schlechteren Regeln als sonst in Europa gelten. Er und die Justizministerin wollten sich an der Debatte beteiligen. Es solle sichergestellt werden, dass die Wettbewerbsbedingungen nicht schlechter werden. Aber es gebe ein Recht auf geistiges Eigentum, dessen Nutzung honoriert werden müsse. Der Präsident des IT-Branchenverbandes Bitkom, Willi Berchthold, hatte zuvor die Eröffnungsveranstaltung zum Anlass genommen, noch einmal darauf hinzuweisen, dass Urheberrechtsabgaben und Rundfunkgebühren auf PCs und die Verlängerung der Abschreibungsfristen auf Software wirtschaftlich schädlich seien.

SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann fragte in seiner Rede, wo die Begeisterung geblieben sei, wie sie früher auf der CeBIT geherrscht habe. Sie zeige sich wohl noch am Wochenende, wenn die Verbraucher kämen. Sie seien bereit, Geld auszugeben und interessierten sich für die angebotenen neuen Geräte. "Dinge die Spaß machen, werden gekauft." Ansonsten sei Ernüchterung eingekehrt. "Unsere Branche hat die stürmischen Jahre hinter sich und ist erwachsen geworden", sagte Kagermann.

Die Informationstechnologie sei allgegenwärtig und selbstverständlich geworden, meinte Kagermann. Es gebe heute keinen Fortschritt in der Wissenschaft mehr ohne die Informationstechnologie. Wirtschaft und IT seien untrennbar geworden. Unternehmensprozesse würden vernetzt und beschleunigt. Wenn IT unsichtbarer, aber auch unverzichtbarer werde, dann müsse das der Gesellschaft klar gemacht werden. Die Informationstechnologie müsse aus dem Kokon schlüpfen und sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Wer Software entwickelt, sollte seinen Kunden kennen und sich nicht an der Technik orientieren, sagte Kagermann, ganz in seinem Element bei den Themen Embedded Systems und serviceorientierte Architekturen. 20 Prozent der IT-Ausgaben seien Fehlinvestitinen. Die Ursache liege meist bei den Menschen, die die Entscheidungen treffen.

Die Globalisierung müsse, so Kagermann, als gegeben hingenommen werden. Die Informationstechnologie könne dazu genutzt werden, um den "Wind der Globalisierung" zu lenken. Mit einer 35-stündigen Arbeitswoche könne man aber nicht mit Volkswirtschaften konkurrieren, in denen die Menschen nur 35 Stunden die Woche schlafen. IT und Business müssten bereits in der Ausbildung verzahnt werden. Die Vielfalt Europas dürfe nicht gleichgemacht, sondern als solche genutzt werden, forderte Kagermann.

Er rechnet mit einem Aufschwung in der IT-Branche in diesem Jahr. "Nach zwei schwierigen Jahren ging es in unserer Branche 2004 wieder aufwärts -- und auch für 2005 stehen alle Zeichen auf grün." Im vergangenen Jahr hätten die weltweiten IT-Ausgaben fast eine Billion US-Dollar betragen. Bis zum Jahr 2008 werde von einem durchschnittlichen Wachstum von 6 Prozent ausgegangen, sagte Kagermann. Damit sei die IT-Branche eine der weltgrößten und eine der am schnellsten wachsenden Industrien.

Bitkom-Präsident Berchtold verwies auf die Chancen, die neue Technologien böten. So könne RFID in Kleidungsstücken für den richtigen Waschgang sorgen, zog der Bitkom-Chef ein Beispiel aus der Alltagswelt aus dem Ärmel. Die Informationstechnologie sichere den freien Zugang zu Informationen und diene den Menschen im "wahrsten Sinne des Wortes". Die Branche in Europa benötige angesichts der aufstrebenden Länder in Asien eine Strategie. Zu oft seien innovative Unternehmen von anderen überholt worden. Nötig sei eine parteiübergreifende Innovationskoalition: "Innovation muss zum Staatsziel werden", forderte Berchthold. (anw)