AOL will mit Webdiensten "zurück zu den Wurzeln"

AOL-Europa-Chef Dana Dunne hat den Verkauf des Zugangsgeschäft in Deutschland als großen Erfolg bezeichnet, der die Konzentration auf webbasierte Dienste wie "Chat und Community" ermögliche. Das Modell gilt als Blaupause fürs US-Business.

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AOL-Europa-Chef Dana Dunne hat den Verkauf des Zugangsgeschäfts der Internetfirma in Deutschland als großen Erfolg bezeichnet. "Wir haben sämtliche Kunden ohne größeren Ärger auf die HanseNet-Infrastruktur transportiert", erklärte der Manager im Gespräch mit heise online. AOL könne so wieder wie ursprünglich mit "Inhalten" und "Page Impressions" punkten, umschrieb Dunne die gängigen Währungseinheiten für Nutzer im Verbraucher- sowie im Werbeumfeld. "Zurück zu den Wurzeln" laute die Devise, mit der das Netzunternehmen nicht nur in Deutschland erneut wachsen und die Profite steigern wolle. Mit dem Kauf des vor allem in Großbritannien erfolgreichen sozialen Netzwerks Bebo für 850 Millionen US-Dollar etwa baue man vor allem auf "Chat und Community" im Web.

Die Abgabe des deutschen Internetzugangsbereichs an den Telekommunikationsanbieter HanseNet sowie vergleichbare Verkäufe in Frankreich und Großbritannien gelten inzwischen innerhalb des Konzerns als mögliche Blaupause auch für die USA. Dort sucht die AOL-Firmenmutter Time Warner nach einem Weg, um die Tochter auch jenseits des Atlantiks wieder auf Kurs zu bringen. Aus dem Konzern verlautete, dass etwa bereits Gespräche über eine mögliche Fusion von AOL mit Yahoo liefen. Der umworbene Konkurrent wird zugleich aber auch von Microsoft heftig umschwärmt. Laut Insidern ist die Option eines Anbandeln mit Yahoo daher bei Time Warner vom Tisch. Weit oben auf der Agenda stehe nun, bei AOL USA möglichst noch in diesem Jahr dem Aufteilungsmodell aus Europa zu folgen.

Für Europa will Dunne das Kerngeschäft auf vier Pfeiler gründen. Im Verbraucherbereich setzt Dunne auf die Verbesserung der Chatdienste AIM und ICQ. Eine Ergänzung mit einem Mikro-Blogging-Service wie Twitter hält Dunne derzeit nicht für nötig: "Wir haben das proprietäre AIM-Protokoll bereits geöffnet, sodass die Entwicklung von Zusatzapplikationen einfach ist. Dafür haben wir auch ein Umsatzbeteiligungsmodell eingeführt." Die bestehenden Angebote wie webbasierte E-Mail oder die Plattformen für Fotos, Videos und Blogs sollen laut Dunne ferner einfacher bedienbar und besser miteinander verknüpft werden.

Als zweites Standbein bezeichnet Dunne AOLs Werbevermarktungsmaschinerie. Um Anzeigen besser und schneller ausliefern zu können, hat das Unternehmen in jüngster Zeit Spezialisten wie Adtech in Frankfurt aufgekauft. Der Erwerb von Third Screen Media soll AOL zudem das Mobiltelefon als Anzeigenkanal erschließen. Die Firma generiert Dunne zufolge mit Reklame auf dem Handy eine Milliarde Page Impressions pro Monat. "Plattform A" hat AOL die neue Werbestrategie getauft, die eine Symbiose zwischen dem Anbieten von Inhalten und dem Anzeigengeschäft einer Media-Agentur in einem Haus schaffen soll.

Drittens hat der Manager die Expansion in Europa auf seiner Liste. Innerhalb seines ersten Jahres an der Spitze hat er die Zahl der nationalen AOL-Portale auf dem alten Kontinent bereits von drei auf elf ausgeweitet. Innerhalb der nächsten zwölf Monate sollen vier weitere Länder dazukommen. Für das deutsche Portal, das sich laut der aktuellen Statistik der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (AGOF) gerade vom neunten auf den siebten Platz der meistbesuchten Internetziele hierzulande hochgearbeitet hat, peilt Dunne Rang fünf im Jahr 2009 an. Nach der mit Entlassungen verknüpften Reorganisierung will der ehemalige McKinsey-Berater in diesem Zug auch wieder Mitarbeiter einstellen.

Wie weit die Entscheidungsfreiheit in der deutschen Zentrale künftig noch reichen wird, kann er noch nicht genau sagen. Neue Produkte und Services würden sicher zunächst zentral entwickelt und auch Aspekte wie Sicherheit und Jugendschutz, mit denen AOL Deutschland in den vergangenen Jahren besonders zu punkten suchte, stünden global für die Firma. Trotzdem sieht Dunne bei derlei politischen Fragen auch Raum für lokale Initiativen. (Stefan Krempl) / (jk)