BKA fordert Sperrung kinderpornographischer Webseiten (Update)
BKA-Chef Jörg Ziercke will im Kampf gegen organisierte Kriminalität Internetprovider zur Blockade von Kinderpornos oder fremdenfeindlichen Materialien verpflichten.
Der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, hat sich bei der Vorstellung des Lagebilds (PDF-Datei) zur organisierten Kriminalität 2007 dafür ausgesprochen, Internetprovider gesetzlich zur Sperrung von Angeboten mit kinderpornographischen oder fremdenfeindlichen Inhalten zu verpflichten. "Der Großteil der Kinderpornographie wird über kommerzielle Webseiten verwaltet", betonte Ziercke am heutigen Mittwoch in Berlin. Es gehe dabei um "Millioneneinnahmen". Das "Access-Blocking" könne daher eine "wichtige Maßnahme" sein, um das Geschäft mit Kinderpornographie weniger lukrativ zu machen.
Update: Der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) sagte dazu in einer Stellungnahme, statt mit "Internet-Sperren lediglich Scheinerfolge zu versuchen, ist es effizienter, an der Quelle anzusetzen". Mit Blockaden werde weder der rechtsverletzende Inhalt aus dem Internet entfernt noch der Zugang zu ihm unmöglich gemacht. Dabei verweist er auf seine Internet-Beschwerdestelle, die eingebunden sei in das internationale Netzwerk von Hotlines INHOPE. Sie gehe den Hinweisen nach mit dem Ziel, die Entfernung dieser Inhalte zu erreichen. /Update
Die polizeiliche Statistik weist für das vergangene Jahr 11.357 Fälle des Besitzes, der Beschaffung und Verbreitung von Kinderpornographie aus. Das entspricht einem Anstieg von 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei der "Verschaffung des Besitzes" von kinderpornographischen Bildern über das Internet sei von 2006 auf 2007 sogar ein Zuwachs von 3271 auf 6206 Fälle festzustellen gewesen, beklagte Ziercke. Die Dimension verdeutliche die Anzahl der Beschuldigten in einzelnen großen Ermittlungskomplexen allein in Deutschland im Rahmen der Operationen "Marcy", "Mikado" und der teils als rechtswidrig eingestuften Aktion "Himmel" und zuletzt "Smasher" in Bayern. Bei einer internationalen Operation sind dem BKA zufolge zudem allein bei fünf deutschen Tatverdächtigen belastende Daten im Umfang von 20 Terabyte sichergestellt worden.
Insgesamt sind die Opferzahlen zwar zwischen 2000 und 2007 von rund 19.700 auf etwa 15.900 gesunken. Zugleich mehren sich laut Ziercke aber Bilder im Internet, auf denen Kleinkinder schwer missbraucht werden. Der Anteil von im Netz gezeigten misshandelten Kindern zwischen drei und sechs Jahren liege inzwischen bei 40 Prozent. Ein zuverlässiges Entfernen des Materials sei nicht möglich, sodass die Opfer weiter stigmatisiert würden. Die "massenhafte Verbreitung" der Bilder übers Internet fördere zudem den Hunger nach Nachschub. Wissenschaftliche Studien würden zudem nahelegen, dass die ernsthafte Betrachtung der Aufnahmen zum Abbau von Hemmschwellen führe und am Ende selbst ein Missbrauch stehen könne.
Da hierzulande eine freiwillige Selbstverpflichtung der Zugangsanbieter zur Blockade von einschlägigen Online-Angeboten, wie sie teils in den USA praktiziert werde, nicht absehbar sei, setzte sich Ziercke für das Einschreiten des Gesetzgebers ein. Er wolle eine bereits laufende Debatte über entsprechende Gesetzesentwürfe in den federführenden Ministerien befördern, erklärte der SPD-Mann. In einen entsprechenden Vorstoß sei "ganz dringend auch die Sperrung von fremdenfeindlichen und anti-semitischen Inhalten einzubeziehen", da diese ebenfalls auf unterster moralischer Stufe stünden.
Zur Untermauerung seiner Initiative führte der BKA-Chef aus, dass in skandinavischen Ländern, Italien, der Schweiz, Neuseeland, Großbritannien, Südkorea, Kanada und Taiwan bereits entsprechende Blockademaßnahmen durchgeführt würden: "In Norwegen werden durch Access-Blocking täglich etwa 15.000 Zugriffsversuche abgewehrt." In Italien müssten Internetanbieter bekannt gewordene Fälle melden und Instrumente zum Filtern und Sperren auf Basis einer Negativliste bereithalten. Wer innerhalb von sechs Stunden die darauf geführten Internetadressen nicht blockiere, riskiere Geldbußen bis zu 250.000 Euro.
Die hierzulande von den Providern ins Feld geführten Gegenargumente wie hohe Kosten haftungsrechtliche Fragen und technische Probleme wollte Ziercke nicht gelten lassen. Zudem interpretierte er ein kritisches Gutachten der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) dahingehend, dass ein Sperren kinderpornographischer Seiten "rechtlich und technisch machbar" sei. Unterstützung erhielt Ziercke unter anderem von Julia Weiler von der Organisation Innocence in Danger. Sie beklagte, dass der weltweiten gesellschaftlichen Ächtung von Kinderpornographie in Deutschland "nicht so richtig Taten folgen". Man dürfe nicht weiter auf den "guten Willen" der Provider angewiesen sein. Zudem sprach sie sich mit Ziercke auch dafür aus, dass Geldinstitute und Online-Bezahldienste die Konten von Kinderporno-Händlern verstärkt sperren sollten.
Mit großer Sorge betrachtete Ziercke auch die Entwicklung im Bereich Zahlungskartenkriminalität, wo die Zahl der registrierten Manipulationen an Geldautomaten im ersten Halbjahr 2008 mit 440 Fällen bereits fast so hoch sei wie im gesamten vergangenen Jahr. Das gleiche Verhältnis gelte für die Zahl der Angriffe, die 2007 bei 1349 gelegen habe. Dabei sei in 70.000 Fällen ein Schaden von rund 21 Millionen Euro entstanden. Zunehmende Aktivitäten seien auch bei der Manipulation von "Point of Sales"-Terminals (POS) sowie bei anderen Arten des "Skimming" zum Abgreifen von Kartendaten und dem Kopieren der Informationen oft schon innerhalb weniger Stunden auf gefälschte Pendants festzustellen.
Das BKA hat in diesem Bereich 13 Ermittlungsverfahren gegen 62, vor allem aus Rumänien stammende Tatverdächtige durchgeführt und 36 Tatverdächtige festgenommen. Mit Strafverfolgung allein sei das Phänomen aber nicht einzudämmen, meinte Ziercke. Er appellierte an die Hersteller der Geräte, alle präventionstechnischen Möglichkeiten zum Erschweren von Manipulationen umzusetzen. Zahlungskarten sollten seiner Ansicht nach ferner stärker mit Chips aufgerüstet werden. Türöffner, bei denen Kartendaten erfasst werden, müssten abgebaut werden, die Videoüberwachung in Räumen mit Geldautomaten sei auszubauen. (Stefan Krempl) / (vbr)