Grüne klagen gesondert gegen die Vorratsdatenspeicherung
47 von 51 Abgeordneten der Oppositionspartei im Bundestag sind wegen der verdachtslosen Protokollierung der Nutzerspuren vors Bundesverfassungsgericht gezogen, wobei sie auch die Rechte der Parlamentarier sichern wollen.
47 von 51 Abgeordneten der Grünen im Bundestag haben eine eigene Verfassungsbeschwerde gegen die seit Anfang Januar geltende Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten eingereicht. Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist unabhängig von der "Massenbeschwerde", mit der unter der Ägide des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung neben rund 30.000 besorgten Bürgern auch bereits einzelne Mitglieder der Oppositionspartei nach Karlsruhe gezogen sind.
"Der Weg in den präventiven Überwachungsstaat muss gestoppt werden", erklärte die Fraktionsvorsitzende Renate Künast. Ständig würden – etwa mit der auch in der EU geplanten "Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten" – neue Maßnahmen zur verdachtslosen Aufbewahrung persönlicher Informationen vorgestellt. Derlei Pläne sprengten die Grenzen der freiheitlichen Grundordnung.
Vertreten werden die Grünen nach Informationen der Osnabrücker Zeitung vom Staatsrechtler Jens-Peter Schneider. Er sieht einen ungerechtfertigten Eingriff in das Fernmeldegeheimnis. Durch die anlasslose Protokollierung der Nutzerspuren könnten viele Bürger zu einer Veränderung ihres Kommunikationsverhaltens veranlasst werden. Dies wirke sich auf den demokratischen Diskurs aus. In einem gesonderten "Organstreitverfahren" mit zweiter Klageschrift will Schneider weiter die Rechte der Abgeordneten sichern. Die Beschwerdeführer seien als Politiker in besonders auf vertrauliche und unbefangene Kommunikation mit Parteifreunden, Bürgern, Interessenvertretern und sonstigen Informanten oder Medienvertretern angewiesen.
Nach dem öffentlichen Zwist zwischen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) über das geplante System zur 13-jährigen Sammlung Passenger Name Records (PNR) in der EU auf dem Europäischen Polizeikongress betonte der parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Peter Altmaier, derweil gestern im Bundestag, dass die Federführung ohne Zweifel im Innenressort liege. Die auch von Zypries geäußerte Befürchtung, dass die Flugpassagier-Auswertung in Europa ein "großer Schritt hin zu einem Präventionsstaat" wäre, wies der CDU-Politiker entschieden zurück. Es gebe auch "keinen Dissens" in der Frage in der Bundesregierung, verwies Altmaier im Rahmen einer Frage der Grünen auf eine jüngst erfolgte Stellungnahme.
Der Vorschlag der EU-Kommission für einen entsprechenden Rahmenbeschluss müsse freilich dahingehend geprüft werden, ob er mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben und den europäischen Datenschutzbestimmungen zu vereinbaren sei. Davon geht Altmaier nach eigener Aussage aber aus, da der Bundestag und andere Parlamente in den Mitgliedsstaaten jüngst erst das PNR-Abkommen zwischen Washington und Brüssel ratifiziert hätten.
Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:
(Stefan Krempl) / (anw)