"Heidelberger Appell" gegen Google
Der vom Germanistik-Professor Roland Reuß initiierte Appell "für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte" wurde mit 1300 Unterschriften von Schriftstellern und anderen Kulturschaffenden unter anderem dem Bundespräsidenten zugeschickt.
Der Heidelberger Germanistik-Professor Roland Reuß hat den von ihm initiierten Appell (PDF-Datei) "Für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte", der sich insbesondere gegen die Aktivitäten des Internetkonzerns Google wendet, gestern mit einem "Brandbrief" Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderen Politikern zugeschickt. Reuß bestätigte gegenüber dpa einen entsprechend lautenden Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung. Insgesamt werfen 1300 Autoren und Wissenschaftler Google Urheberrechtsverletzungen vor und fordern die Unterstützung deutscher Politiker. "Sie müssen unsere Interessen auf der politischen Ebene vertreten", sagte Reuß.
Unterzeichnet wurde der im März verfasste Appell unter anderem von Siegfried Lenz, Hans Magnus Enzensberger, Tankred Dorst, Daniel Kehlmann, Brigitte Kronauer, Alexander Kluge, Sibylle Lewitscharoff, Michael Nauman, Herausgeber der Zeit und Bascha Mika, Chefredakteurin der Tageszeitung. Sie werfen Google vor, die Suchmaschine erfasse Bücher illegal und stelle sie ohne Einwilligung der Urheber im Internet zur Verfügung.
Auch wendet sich der Appell gegen die "Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen", der unter anderem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), die Leibniz-Gemeinschaft (WGL) und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) angehören. Sie propagierten "weitreichende Eingriffe in die Presse- und Publikationsfreiheit, deren Folgen grundgesetzwidrig wären". Die Allianz hatte bereits im März die Vorwürfe gegen ihre Open-Access-Bestrebungen zurückgewiesen. Kritiker des Heidelberger Appells sehen die Vorwürfe gegen Open Access, bei dem es um freien Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen gehe, als unzulässige Vermischung mit den Vorwürfen gegen Google, das seine Marktmacht ausnutze, um Urheberrechte für die eigenen Interessen auszuhebeln.
Zumindest im Fall Google sieht Reuß aber nun laut dem Zeitungsbericht "Gefahr im Verzuge". Es gebe die groteske Situation, "dass bald ein regionales amerikanisches Gericht über die Interessen aller deutschen und europäischen Urheber befindet – wohl ohne dass die Bundesregierung oder die EU-Kommission bisher in Gesprächen die US-Partner auf die Bizarrerie dieser Situation aufmerksam gemacht haben". Dabei bezieht sich der Professor auf eine im Oktober erzielte Einigung im Urheberrechtsstreit zwischen Google und US-amerikanischen Autoren und Verlagen. Noch vor Ablauf der hier von dem US-Gericht verfügten Widerspruchsfrist am 5. Mai bräuchten die Kulturschaffenden "ein politisches Signal".
Widerspruch gegen die Einigung kommt auch von anderer Seite. Kürzlich hatte sich das Internet Archive an das zuständige Gericht gewandt mit der Befürchtung, durch die Einigung könne Google ein Monopol auf "verwaiste Werke" erhalten. Bereits im Oktober hatte sich der deutsche Buchhandel zu Wort gemeldet. Er sieht in der Vereinbarung zwischen Google und den Urheberrechtsinhaber ein "Trojanischen Pferd, mit dem Google antritt, die weltweite Wissens- und Kulturverwaltung zu übernehmen". (anw)