Österreich: Polizei will "kommerzielle Strukturen" bei Kinderpornos zerstören
"An den unentgeltlich von Pädophilen verbreiteten Seiten sind wir gar nicht interessiert", sagte der Kriminalbeamte Harald Gremel von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Kinderpornografie im Bundeskriminalamt auf einer Podiumsdiskussion.
Seit 2006 versucht die österreichische Polizei vergeblich, die Internet Service Provider (ISP) des Landes zur Sperre von Webseiten mit kinderpornografischem Inhalt zu bewegen. Aber nicht alle Kinderpornoseiten sind gleich: "An den unentgeltlich von Pädophilen verbreiteten Seiten sind wir gar nicht interessiert." Mit dieser Auskunft überraschte der Kriminalbeamte Harald Gremel Mittwochabend. Der seit 2005 bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Kinderpornografie im österreichischen Bundeskriminalamt tätige Beamte hatte auf Einladung des Branchenverbandes Internet Service Provider Association Austria (ISPA) an einer Podiumsdiskussion zum Thema Sperren im Internet teilgenommen.
Gremel glaubt, dass das organisierte Verbrechen mit Kinderpornografie viel Geld verdient. Ziel der Kriminalpolizei sei das Zerstören kommerzieller Strukturen. Webfilter seien zwar kein Allheilmittel gegen Kinderpornos, aber "ein wirksames Mittel zur Erschwerung der kommerziellen Verbreitung." Dass die Sperren umgehbar seien, gestand auch Gremel ein. Aber die meisten Kinderpornografie-User wüssten nicht, wie sie dabei vorgehen sollten.
Versuche, verbotenes Material aus dem Internet entfernen zu lassen, unternimmt die österreichische Polizei nicht. Die Server stünden stets im Ausland, wo das Einschreiten österreichischer Behörden verboten sei, sagte Gremel gegenüber heise online. Auch einfache E-Mails an die Serverbetreiber mit Hinweisen auf die entdeckten Dateien werden nicht verschickt. Vielmehr werden die Behörden des jeweiligen Landes informiert.
2008 seien bei der Meldestelle des österreichischen Bundeskriminalamtes über 5000 Hinweise auf Kinderpornografie eingegangen, fast 3000 davon seien verwertbar gewesen. In Österreich gebe es allerdings keine einschlägigen Server, wenn man von gehackten Sites absehe, auf denen Dateien gegen den Willen des Betreibers bereitgestellt würden.
Diese Einschätzung wurde von Barbara Schloßbauer von der Meldestelle Stopline.at bestätigt: Die mit Abstand meisten Kinderporno-Server stünden in den USA, es kämen aber auch immer wieder Meldungen über Server in Russland, Spanien und den Niederlanden. Seit der Gründung 1998 seien insgesamt 18.500 Meldungen eingegangen, von denen 30 Prozent tatsächlich illegale Inhalte betroffen hätten. 90 Prozent davon seien Kinderpornografie, 10 Prozent rechtsextrem. Nur drei Meldungen im Jahr 2008 hätten österreichische Angebote betroffen. Diese seien von den jeweiligen ISP sofort offline genommen worden.
Der Einführung von Internetsperren kann die Stopline.at-Projektleiterin aber ebenso wenig abgewinnen wie Andreas Krisch, Obmann des Vereins für Internet-Benutzer Österreichs (vibe!at) und Präsident des Dachverbandes European Digital Rights (EDRi). Kinderpornografie werde gefördert, wenn sie nicht vom Netz genommen werde, und durch Sperren nur versteckt.
"Es gibt keine wirksamen Internetsperren. Das ist ein Faktum", betonte Wolfgang Schwabl, Sicherheitschef der Telekom Austria, "Internet-Behinderungen sind möglich, sehr teuer und leicht zu umgehen. Sperren wir doch lieber die Kriminellen ein als das Internet." Die "regulatorische Keule" verordneter Sperren habe einen "totalitären Beigeschmack". Aus dem Publikum merkte ISPA-Schriftführer Kurt Einzinger an, dass die österreichische Polizei jene Webseiten filtern wolle, die den Zugriff auf Kinderpornografie gegen Entgelt ermöglichten. Der in der öffentlichen Diskussion häufig erwähnte Schutz unbedarfter User vor zufälligem Zugriff auf verbotenes Material sei also kein Anliegen der Exekutive. (Daniel AJ Sokolov) / (anw)