Opposition warnt vor Gesinnungsstrafrecht bei neuen Anti-Terrorparagraphen
Mit scharfen Begriffen wie "Feindstrafrecht", "Guantanamo-Logik" oder "Symbolgesetzgebung" warnten Vertreter von FDP, Linken und Grünen im Bundestag vor den geplanten neuen Straftatbeständen im Staatsschutzrecht.
Vertreter der Opposition haben den Regierungsentwurf zu neuen Straftatbeständen im Staatsschutzrecht zur Terrorabwehr scharf kritisiert. Jörg van Essen von der FDP-Fraktion warnte bei der 1. Lesung des Vorhabens im Bundestag am heutigen Donnerstag vor einer reinen "Symbolgesetzgebung" in einem "Graubereich", mit der die Verfassung weiter ausgetestet werde. Ulla Jelpke von den Linken sprach von einem "uferlosen Anti-Terrorsystem" mobil zu machen. Die große Koalition wolle eindeutig bereits eine reine Gesinnung bestrafen. Für den Grünen Wolfgang Wieland gehen die Pläne "in Richtung Feindstrafrecht".
Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen, die den Kabinettsentwurf zur Beschleunigung des Verfahrens selbst noch einmal ins Parlament eingebracht haben, wollen lange Haftstrafen unter anderem für den vorsätzlichen Besuch von Terrorcamps und die Verbreitung von Bombenbau-Anleitungen über das Internet einführen. Dies sei ein Schritt weg vom Schuldstrafrecht, meint Wieland. Wer schon das erste Herunterladen extremistischer Materialien aus dem Internet bestrafen wolle, handle nach einer Art Guantanamo-Logik.
Der Liberale Van Essen warnte, die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus dürfe nicht dazu führen, "verfassungsfragwürdige Gesetze zu verabschieden". Der Gesetzgeber könne es den Staatsanwaltschaften nicht zumuten, Verdächtigen eine reine Absicht bei Androhungen hoher Freiheitsstrafen nachzuweisen. Jelpke kündigte den Widerstand der Linken gegen die Initiative an, mit der Grundrechte und rechtsstaatliche Prinzipien mit Füßen getreten würden.
Siegfried Kauder von der CDU/CSU-Fraktion räumte ein, dass die Strafbarkeit vorverlagert werden solle, um Ansatzpunkte für Ermittlungsmaßnahmen zu haben. Heute würde kein Richter bei einem vagen Verdacht etwa eine Telekommunikationsüberwachung zulassen. Die vorgeschlagenen drei neuen Paragraphen würden den Fahndern dagegen mehr Möglichkeiten für das Abhören oder die Wohnraumüberwachung eröffnen. "Wer Sicherheit in Deutschland liebt, muss diesem Gesetz zustimmen", sagte der CDU-Politiker.
Wenn die erste U-Bahn in Deutschland hochgehe, würde auch die Opposition als erstes auf die Koalitionslinie einschwenken, meinte Joachim Stünker von der SPD-Fraktion, und ermahnte gleichzeitig die Kritiker für ihre Wortwahl, mit der sie "die Schmerzgrenze überschritten" hätten. Keiner müsse Angst haben vor dem Gesetz, da die Verdächtigen im Zweifelsfall natürlich freigesprochen würden. Zudem müssten neben dem Besuch eines Terrorcamps oder dem Herunterladen von Sprenganleitungen Planungen für ganz konkrete Tatbestandsmerkmale wie Mord, Totschlag oder Menschenraub vorliegen.
Zuvor hatte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries betont, "dass Deutschland im Fokus des internationalen Terrorismus steht". Die Drohvideos der vergangenen Tage hätten deutlich gemacht, dass die Politik die Gefahren ernst nehmen und die Bürger mit Betreten "juristischen Neulands" schützen müsse. Dabei seien aber die rechtsstaatlichen Grundsätze zu wahren. Strafbar werden solle daher nur die Verknüpfung einer objektiven Tat mit einer subjektiven Vorsatzkomponente. Wer sich die Chemieseiten bei Wikipedia anschaue, sei außen vor. Anders ist der Fall laut der SPD-Politikerin gelagert, wenn jemand zu bestimmten terroristischen Anschlägen aufrufe und daneben Bausätze für Sprengstoffe veröffentliche.
Schon heute würden Vorbereitungshandlungen etwa für einen Angriffskrieg oder "ein hochverräterisches Unternehmen" unter Strafe stehen, verteidigte auch Jürgen Gehb im Namen der Union den Entwurf. Es handle sich zwar um eine verfassungsrechtlich "auf Kante genähte Regelung" wie bei verdeckten Ermittlungsmaßnahmen. Der Gesetzgeber dürfe aber "doch nicht aus dem Angst vor dem Tode Selbstmord begehen". Mit der Initiative würde zudem ein Europarats-Übereinkommen zur Terrorbekämpfung umgesetzt, sodass es auch internationale Verpflichtungen gäbe. Über das weitere Vorgehen wollen die Parlamentarier nach einer Anhörung im Rechtsausschuss entscheiden.
Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:
(Stefan Krempl) / (vbr)