Schäuble lobt Entwurf zu Online-Razzien als "notwendig" und "richtig"
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2007 den Entwurf zur Novellierung des BKA-Gesetzes verteidigt und erneut Befugnisse für Netzbespitzelungen durch Staatsschützer gefordert.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2007 (PDF-Datei) am heutigen Donnerstag in Berlin den umstrittenen Entwurf für die Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) verteidigt. "Es muss gewährleistet sein, dass die Sicherheitsbehörden die nötigen Informationen gewinnen und austauschen können", betonte der CDU-Politiker. Dies sei "auf dem Stand der Technik" zu gewährleisten. Das betreffe auch die geplante Lizenz für das BKA zu heimlichen Online-Durchsuchungen. Schäuble zeigte sich überzeugt, "dass das, was wir bisher erarbeitet haben, notwendig, richtig und verfassungsrechtlich einwandfrei ist".
Zugleich forderte der Innenminister einmal mehr auch für die Staatsschützer Befugnisse zum Einsatz des sogenannten Bundestrojaners. Die Vorlage für das BKA-Gesetz könnte ihm zufolge an diesem Punkt ebenfalls "Maßstab für entsprechende ähnliche Regelungen" beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sein. Der mit dem Bundesjustizministerium ausgearbeitete Referentenentwurf enthalte eine für die Sicherheitsbehörden "rechtlich saubere und sachgerechte Arbeitsgrundlage" zur Ausforschung von IT-Systemen. Es müsse aber auch die Möglichkeit geben, "Wohnungen im Notfall heimlich betreten zu können", stellte Schäuble den noch von den Ländern, dem Bundeskabinett und dem Bundestag zu behandelnden Kompromiss an einer Stelle in Frage. Eine Debatte über den Schutz des Wohnraums in Artikel 13 Grundgesetz werde "uns nicht erspart bleiben".
Generell geht laut Schäuble "die größte und manifesteste Bedrohung nach wie vor vom islamistischen Terrorismus aus". Deutschland sei "zum Operationsgebiet islamistischer Terroristen geworden". Dies erfordere "nicht nur die konzentrierte Wachsamkeit unserer Sicherheitsbehörden, sondern unser aller Aufmerksamkeit". Die Integration und das einvernehmliche Miteinander der hierzulande rund dreieinhalb Millionen lebenden Muslime spiele dabei eine wichtige Rolle. Angesichts eines Anstiegs der Zahl der aktiven islamistischen Organisationen in diesem Jahr auf 30 mit über 33.000 Mitgliedern sei aber auch die Prävention wichtig. Dass Deutschland "im Fokus" stehe, würden etwa die im März und November 2007 im Internet veröffentlichten Drohvideos der al-Qaida nahestehenden Globalen Islamischen Medienfront (GIMF) verdeutlichen.
Als weiteren besonderen Schwerpunkt der Arbeit der Staatsschützer bezeichnete Schäuble die Beobachtung des Rechtsextremismus in all seinen Ausprägungen. "Wir werden geistige rechtsextreme Brandstifter mit allen Mitteln des Rechtsstaates bekämpfen", erklärte der Minister. Erstaunt zeigte er sich, dass selbst der Nationalismus inzwischen international operiere. Das reiche von polnischen Neonazis bis hin zu einer Fraktion der Rechtsextremen im EU-Parlament.
"Auch das Internet wird von ihnen intensiv genutzt", ergänzte Schäuble. Der Bericht meldet eine hohe Fluktuation rechtsextremer Propaganda-Webseiten. Während der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr 250 neue entsprechende Internetpräsenzen festgestellt habe, sei die gleiche Menge aus dem Netz verschwunden. Die Gesamtzahl einschlägiger rechtsextremer Online-Auftritte stagniere so bei etwa 1000. Zudem habe die Szene damit begonnen, eigene Videoplattformen zur Verbreitung ihrer Filme aufzubauen. Die Zahl der neonazistischen Demonstrationen sei dagegen auf 66 von 145 im Vorjahr zurückgegangen. Der Bericht vermerkt auch eine Senkung der rechts motivierten Straftaten um 2,4 Prozent auf 17.176 sowie der Gewalttaten um 6,4 Prozent auf 980.
Der "organisierte Linksextremismus" hat sich nach Angaben Schäubles "nur unwesentlich verändert". Dem Bericht nach stieg die Zahl der politisch links motivierten Straftaten von 2369 im Jahr 2006 auf 2765, darunter waren 833 Gewalttaten (2006: 862). Ein erheblicher Teil davon sei gegen Anhänger der rechten Szene gerichtet, beklagte der Minister ein gegenseitiges Hochschaukeln, wie dies etwa auch bei Demonstrationen am 1. Mai in Hamburg zu beobachten gewesen sei. Weiter monierte Schäuble, dass die 2005 gestartete "militante Kampagne" gegen den G8-Gipfel 2007 mit 15 Brandanschlägen mit zum Teil erheblichen Sachschäden fortgesetzt worden sei. Die Ereignisse würden zeigen, "dass der Linksextremismus weiterhin in der Lage ist, größere Mengen an Anhängern zu mobilisieren".
Als von "besonderer Bedeutung" stellt der Report dabei das Aktionsfeld "Antirepression" heraus: Linksextremisten würden die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erfolgte Verschärfung der Sicherheitsgesetze und den Einsatz neuer technischer Fahndungsmittel als neue Qualität staatlicher Unterdrückung werten und dagegen etwa im Rahmen "schwarzer Blöcke" bei Kundgebungen wie der Großdemo gegen den Überwachungswahn im September 2007 in Berlin vorgehen.
Für Empörung schon im Vorfeld hatte die Tatsache geführt, dass der Verfassungsschutz in der Partei "Die Linke" nach wie vor "offen extremistische Kräfte" am Werk sieht und sie weiter unter Beobachtung hält. Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, beklagte daraufhin eine "verkehrte Welt". Laut dem Grundgesetz, zu dem sich die Partei stets ohne Beschränkung bekannt habe, "kontrolliert immer noch das Parlament den Verfassungsschutz und nicht umgekehrt". BfV-Präsident Heinz Fromm erläuterte, dass die Staatsschützer bei der Partei "nur die Dinge zur Kenntnis nehmen, die offen verfügbar sind". Nicht hinter jeder Hausecke stehe ein Verfassungsschützer, um etwa neue Mitglieder zu beobachten.
Ein gesondertes Kapitel widmet der Bericht erneut dem Thema Spionage. Fromm sprach von "zunehmenden Interessen", technisches Know-how, Produktideen, komplexe Fertigungstechniken sowie Unternehmens- und Marktstrategien aus Deutschland auf illegale Weise zu beschaffen. Eine zunehmende Bedeutung besitzen dem Report nach dabei "internetgebundene Angriffe auf Computersysteme von Wirtschaftsunternehmen und Regierungsstellen". Angesichts der ausgewählten Ziele und der angewandten Methoden erscheine eine nachrichtendienstliche Steuerung oder zumindest Beteiligung in vielen Fällen als sehr wahrscheinlich. Das BfV sehe sich daher als "Service-Stelle", um Hilfe zum Selbstschutz zu geben. (Stefan Krempl) / (pmz)