Tiroler Wasserkraft verliert zentrales Gerichtsverfahren gegen Online-Kritiker

Der Tiroler Kraftwerksbetreiber TIWAG ist mit dem Versuch gescheitert, den Online-Kritiker Markus Wilhelm zum Schweigen zu bringen.

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Das Oberlandesgericht Innsbruck hat die Berufung der TIWAG gegen ein Urteil des Landesgerichts Innsbruck abgewiesen. Wilhelm, Betreiber der Website dietiwag.at beziehungsweise dietiwag.org, war mit seiner Berufung hingegen erfolgreich: Er darf damit nicht nur die umstrittenen (eigentlich vertraulichen) Cross-Border-Leasing-Verträge der TIWAG sowie Angaben über die TIWAG-Berater und deren Honorare veröffentlichen, sondern auch das Protokoll einer nicht öffentlichen Gerichtsverhandlung. Gegen das Urteil (2 R 257/08y) steht kein ordentliches Rechtsmittel mehr zur Verfügung.

Die TIWAG, die im Eigentum des Landes Tirol steht, hatte 2005 Wilhelm sowie seinen Provider verklagt. Die Streitwerte wurden mit insgesamt über einer halben Million Euro angesetzt. Hohe Streitwerte führen zu hohen Gebühren für Gerichte und Anwälte, wodurch sich Privatpersonen oft das Prozesskostenrisiko nicht leisten können. Der TIWAG-Kritiker ließ sich aber nicht beirren und konnte nach anfänglichen Rückschlägen alle wesentlichen Entscheidungen für sich verbuchen. So erhielt er die zunächst gesperrte Domain dietiwag.at zurück, nachdem der Provider auf Anordnung eines Gerichts acht den Vorstandsvorsitzenden Bruno Wallnöfer betreffende Worte entfernt hatte. Auch ein modifiziertes TIWAG-Unternehmenslogo darf auf der Website verwendet werden. Anträge auf einstweilige Verfügung zur Löschung der Website wurden in erster und zweiter Instanz abgewiesen.

Auch Wilhelms Webhoster beugte sich dem Druck nicht. Daraufhin ließ die TIWAG das Verfahren gegen den Provider ruhend stellen. Am Prozess gegen Wilhelm hielt sie aber fest, musste jedoch 2008 auch im Hauptverfahren eine Niederlage einstecken. Alle Klagepunkte gegen den Kritiker wurden abgewiesen. Lediglich die Veröffentlichung eines Protokolls einer nicht öffentlichen Gerichtsverhandlung wurde untersagt. Beide Parteien erhoben Berufung, über die das Oberlandesgericht Innsbruck nun entschieden hat.

Dabei wurden die zahlreichen Vorwürfe der TIWAG erneut abgewiesen. Zusätzlich wird Wilhelm die zuvor untersagte Veröffentlichung des Gerichtsprotokolls gestattet. Die protokollierte Verhandlung war eine so genannte Rechtshilfetagsatzung; diese laufen stets ohne Öffentlichkeit ab. Das Verbot der Veröffentlichung von Gerichtsprotokollen greift den Ausführungen des Oberlandesgerichts zu Folge jedoch nur bei an sich öffentlichen Verhandlungen, von denen die Öffentlichkeit ausdrücklich ausgeschlossen wird, nicht aber bei Rechtshilfetagsatzungen. Insofern wurde die Entscheidung der ersten Instanz korrigiert.

Die TIWAG, die für die gegen Wilhelm und seinen Internetprovider angestrengten Prozesse mit einem österreichischen Big Brother Award "ausgezeichnet" wurde, muss Wilhelm nun über 24.000 Euro Anwaltskosten und Auslagen ersetzen. (Daniel AJ Sokolov) (mw)