Unzufriedenheit im Europäischen Patentamt wächst
Die Internationale Gewerkschaft der Patentbehörde hat den französischen Präsidenten Nicholas Sarkozy gebeten, während seiner anstehenden EU-Ratsführung Interessenskonflikte innerhalb des Verwaltungsrats auszuräumen.
Im Europäischen Patentamt (EPA) rumort es weiter. Nach mehreren Streiks der Patentprüfer in den vergangenen zwei Jahren hat sich die Internationale Gewerkschaft der Patentbehörde (SUEPO) jetzt in einem heise online vorliegenden Brief an den französischen Präsidenten Nicholas Sarkozy gewandt. Der Konservative soll während seiner im zweiten Halbjahr anstehenden EU-Ratsführung helfen, vor allem Interessenskonflikte innerhalb des Verwaltungsrates des Patentamtes auszuräumen. Die darin versammelten Vertreter der Mitgliedsstaaten sitzen zugleich in der Regel in Führungspositionen der nationalen Patentämter und haben somit immer zwei Hüte auf. Dies führte Ende vergangenen Jahres etwa zu einem Streit über das Budget und die Bilanzierung des EPA.
Vor allem von einem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Beitritt der EU zum Europäischen Patentübereinkommen erhoffen sich die Gewerkschaftler die Möglichkeit zur Klärung, welche Rolle die nationalen Delegationen spielen. Die Mitarbeitervertretung schlägt Sarkozy zugleich vor, eine allgemeine Studie über die Steuerung und die Finanzierung des Systems gewerblichen Rechtsschutzes in Europa durchzuführen und darauf basierend Empfehlung für die Ratspräsidentschaft auszuarbeiten. Zudem legen die Gewerkschaftsführer dem Franzosen die Arbeit am EU-Gemeinschaftspatent ans Herz. Dies sei der beste Weg, um Innovationen zu fördern und somit Arbeitsplätze in Europa zu schaffen.
Die Zustimmung der EPA-Belegschaft zu ihren obersten Führungsgremien hat derweil laut Spiegel einen weiteren Tiefpunkt erreicht. So haben dem Verwaltungsrat nach einer Umfrage unter den mehreren tausend Mitarbeitern am Hauptsitz in München und in den vier Zweigstellen des Patentamtes nur noch vier Prozent ihr Vertrauen ausgesprochen. Im vergangenen Jahr waren es noch sechs Prozent. Auch das direkte Management, dem unter anderem die Präsidentin Alison Brimelow und ihre fünf Stellvertreter angehören, erhält einmal mehr schlechte Noten: Gerade einmal noch sechs Prozent der Angestellten sind mit der Leitungsebene zufrieden. Das ist ein weiterer Prozentpunkt weniger als 2007.
Die SUEPO bemängelt seit längerem, dass der EPA-Verwaltungsrat in seiner derzeitigen Zusammensetzung allein angesichts der jährlich rund 250 Millionen anfallenden Einnahmen durch Erneuerungsgebühren nicht gleichzeitig im Interesse eines verbraucherorientierten, unabhängigen und vor allem zentralen europäischen Patentwesens entscheiden könne. Hinter dem EPA steht bislang letztlich die Europäische Patentorganisation (EPO), der Mitgliedsstaaten auch jenseits der EU angehören. Die Zukunft des europäischen Patentsystems und die mögliche Einrichtung einer neuen zentralen Patentgerichtsbarkeit sind seit langem umkämpft. Frankreich hat sich bisher noch nicht klar zu weiteren möglichen Schritten über das nach langem Widerstand akzeptierte Londoner Abkommen hinaus geäußert.
Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):
(Stefan Krempl) / (jk)