Was war. Was wird. (Enthalten ein weiteres Rätsel für eine Sommernacht)
No Sports! Hal Faber findet es ganz leicht, die Olympischen Sommerspiele zu ignorieren, selbst wenn martialische Eröffnungsspektakel auch bei deutschen Kommentatoren Begeisterung auslösen und sie von einer "neuen Macht" schwadronieren lassen.
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich – und enthält natürlich den zweiten Teil des diesjährigen Sommerrätsels.
Was war.
*** Nein, nein, nein, ich will davon nichts wissen! Ich will keine Gewichtheberinnen sehen und keine Siegerehrungen mit geschenkten Medaillen. Auch der Leni mag ich nicht auf der Suche nach ihrem Riefenstahl zugucken. Und wenn der gute alte Mao am Telefon ist, ich geh nicht ran und spiel lieber den apolitical Blues. Die Friedensspiele können mir mal den Kaukasus runterrutschen. Es ist schon gefährlich genug, hier im Land der Überraschungs-Eier und der vespernden Rückruderer. Kein Wort mehr über Sport, des Sommerrätsels erster Teil mit sportlichen Computerpionieren wie Martin Lauer ist abgehakt, Lektion gelernt.
*** Als rundum apolitischer Mensch will ich nichts weiter als in Frieden leben, chatten und mailen. Schon beim Wort Killerapplikation zucke ich zusammen, auch wenn nur die E-Mail gemeint ist. Die kann aber in den Händen von Gewerkschaftern zu einem mörderischen Instrument werden, zu einem besonders gefährlichen Ei des Spartakus. Womit ich elegant beim Thema des zweiten Sommerrätsels gelandet bin, denn der erste Pilotenstreik in der Geschichte der Lufthansa wurde 2001 über Compuserve organisiert und Compuserve ist nicht mehr. AOL wird in Scheite zerlegt und BTX, das bald sein 25. Jubiläum feiern könnte, ist längst museal geworden. Erraten, ganz ohne Frage: heute geht es um Online-Dienste, um irrwitzige Online-Ideen und ihre Folgen. Es geht nicht um das Internet, oder technisch gesprochen: Lang lebe X.25, vergesst TCP/IP! Wer nicht gehorchen will muss sich einen vierstündigen Vortrag über OSI anhören. Oder lieber die Hölle schlechthin, eine Diskussion zwischen Zerberus, CL-Netz, Mausnetz und Fido-Partisanen über die c't-Affäre?
Aber gehen wir es langsam an, zu Beginn daher eine ganz leichte Frage 1: Wann wurde BTX eigentlich abgeschaltet?
Weil Rätsel kostbaren WWWW-Platz kosten, kommt die Frage 2 gleich hinterher: Wovon ist in diesem historischen Youtube-Stückchen eigentlich die Rede?
*** Ja, irrwitzig waren sie schon, die Ideen, die man damals hatte. 1982 beschlossen beispielsweise die Franzosen, einfach keine Telefonbücher mehr zu drucken, sondern jedem der 9 Millionen Anschlussinhaber ein Minitel in die Bude zu stellen. Hätte das Beispiel bei uns Schule gemacht, hätte es die ständig geburtstagsfeiernde c't vielleicht nie gegeben: Der Heinz Heise Verlag lebte von Telefonbüchern und nicht vonner amour. Es waren Zeiten, als Clement noch Journalist war und nicht ein dummer alter Mann, als Rau wegen BTX das Bundesverfassungsgericht bemühen wollte und als Helmut Schmidt verkündete, das Privatfernsehen schlimmer ist als die Kernenergie und BTX ein Teufelszeug, das Verlage in den Ruin treibt. Dann gab es da noch eine Truppe, die gleich nach der ersten c't ihren ersten Congress veranstaltete und das staatstreue BTX samt einer Hamburger Bank mit dem Hinweis ärgerte "Es erfordert ein bemerkenswertes Team, den Gilb zurückzudrängen."
Woraus sich Frage 3 ergibt: Bayerische Hacker zogen mit einem in den Medien viel beachteten Bankeinbruch nach, dem ersten, der vor laufenden Kameras demonstriert wurde. Was wurde dabei erbeutet?
Und natürlich auch Frage 4: Zu deren Beantwortung ist das Akronym PAVI aufzulösen.
*** Das Leben als unpolitischer Kommunikationsmensch hat seine Vorteile. Sommer 1988, was soll da schon anderes gewesen sein als diese Geschichte, dass sich der Datenreisende Karl Koch der Polizei stellte? Wer redet da vom Volksaufstand in Birma. Und was ist die Zerschlagung der KGB-Hackertruppe ein Jahr später gegen das Massaker da in China, wo sie heuer nur hüpfen und trommeln und lächeln?
Wenden wir uns anderen Dingen zu, nämlich der Frage 5: Was macht der Mann da, auf dem Bild rechts (ein Klick fördert wie immer eine vergrößerte Ansicht zutage)? Und welchen Rechner hat er?
Frage 6: Welcher Verein hat in der Online-Entwicklung eine ganz wichtige Rolle gespielt und warum?
Information at Your Fingertips (2 Bilder)
*** Compuserve ist hinüber, doch noch ist eine Rede erreichbar, die ziemlich wichtig für die Online-Entwicklung ist. Die Rede ist von "Information at your Fingertips", eine Rede 2.0 von Bill Gates, die er im November 1994 auf der Comdex hielt. In ihr ging es ausführlich um den Begriff "Information Superhighway" sowie um die Art und Weise, wie Informationen im Jahr 2005 unser Leben bestimmen werden. Wie viele Microsoft-Produkte war auch diese erfolgreiche Rede ein zweiter Anlauf, denn die erste Fassung ging im November 1990 über die Comdex-Bühne. Im ersten Anlauf war viel von Microsoft und Objektorientierung und OS/2 die Rede, aber nicht davon, woher denn all die Informationen stammen, die auf Tastendruck zusammengestellt werden Die Rede wurde 1990 auf feinstem Papier gedruckt und in einem schicken Einband verteilt, der an eine Speisekarte erinnerte. Die deutsche Übersetzung war erstens kein Farbdruck und wurde offenbar von einem Menschen betreut, der überhaupt nicht verstand, worum es bei dem Zoom-Layout eigentlich ging: von einer Online abrufbaren Zeitung namens Twin Hill Times, deren Seiten einer E-Mail angeheftet wurden, die wiederum Zahlen aus der aktuellen Produktion einer Kaffeefirma enthielt. Der englische Titel der Rede ist "Information at your Fingertips". Das wurde auf Deutsch nicht übersetzt, da heißt es nur: "Bill Gates' strategische Reflexionen über die Zukunft der Personal Computer".
Aus Bill Gates Rede (Auszüge sind in der obigen Bilderstrecke zu sehen) ergibt sich Frage 7: Warum wurde der Titel nicht wie in anderen Ländern lokalisiert?
Und auch gleich Frage 8: Welche Firma diente Micosoft als Vorbild?
Online-Dienste (3 Bilder)
*** Bis das Internet alle Pläne wegspülte, die uninformierte Massen in eigenen Online-Diensten mit Inhalten zu versorgen und gerade einmal etwas Mail zwischen den verschiedenen Plattformen zu erlauben, war eine Menge los. Der größte Unterschied zur aufkommenden Blasenbildung im Internet war wohl der, dass niemand eine große Theorie baute oder unsinniges Zeug wie das Cluetrain Manifesto brauchte. Auch das Gerede vom längsten Schwanz, das gerade als heiße Luft enttarnt wird, war noch unbekannt. So wurde geklotzt, nicht gekleckert und das nicht nur virtuell: eine ganze Messehalle wurde mal zu einem Cycosmos umgebaut, in dem sich reale Avatare und ein Herr e-Cya treffen sollten, lange bevor Second Life als Hype die Bühne betrat.
Nur logisch also, dass Frage 9 lautet: Die drei Bilder in der obigen Bilderstrecke zeigen das Einstiegsmenü verschiedener Online-Dienste. Welche sind es? Auch heute gibt es Fleißpünktchen für die Zusatzfrage: Einer der drei Dienste war zur offiziellen Inbetriebnahme nicht fertig geworden. Journalisten bekamen es mit einer Simulation zu tun.
Und wo wir schon dabei sind, Frage 10: Man versuchte sich sogar am Design eines Online-Dienstes nur für Frauen. Wie hieß der?
*** Unpolitisch geht es durch den Sommer weiter. Der Abschied von Alexander Solschenizyn ist souverän in den Medien abgekurbelt worden, ein paar Erinnerungen stehen quer, an die gerühmte kritische Solidarität zu einem großen Schriftsteller denkt niemand mehr. Nur in einem längeren Interview klingt an, wie wichtig Solschenizyn einmal gewesen war für eine Selbstkritik, die ihren Namen verdient und kein maoistischer Affentanz ist. Es bleibt heiß, die Mückenschweine stechen weiter. Wen kümmert schon Bolivien, Abchasien oder Rwanda? All the Young Dudes sind längst weiter.
Was wird.
Hurra! Ein WWWW ganz ohne Sport! Naja, nicht ganz, aber das ist nicht meine Schuld, sondern höheren Mächten geschuldet. Das Sommerrätsel geht nächste Woche mit dem Internet weiter, die Auflösung der heutigen Fragen gibt es Montag. Was es noch gibt, ist ein Foto mit einem tieftraurigen Berti Vogts, aufgenommen nach dem Aus bei der Fußball-WM 1994 in den USA (wer es wissen will: Deutschland verlor im Viertelfinale gegen Bulgarien). Vogts sitzt mutterseelenallein an einem Tisch, ein schales Weizen vor sich stehend, und starrt auf den Boden. Warum dieses rundum trostlose Bild mit dem Untertitel "Woran Berti wirklich dachte?" für den ausgesprochen lustigen Start von heise online steht, hat mir bis heute niemand erklären können. Ich kann es noch nicht einmal als Frage formulieren, was Werber sich bei einer solchen Geschichte denken. Aber eine Antwort hätte ich schon gerne.
Es geht voran. Freuen wir uns auf die enge datentechnische Verzahnung mit den USA, wo der ehemalige Gilb Bedarf an einem Privacy-Berater hat. Zahn an Zahn, ganz eng soll es auch in Europa zugehen. Wenn kümmert es da noch, was in Australien passiert, das erstmals einen umfassenden Privacy Act bekommen soll. Schließlich hat Google dort sein Streetview gestartet, damit man auf Känguruh-Suche gehen kann. (Hal Faber) / (jk)