Frankreichs etablierte Managergarde soll Vivendi retten

Die Notoperation am französisch-amerikanischen Patienten Vivendi Universal wurde von höchster Stelle verordnet.

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Von
  • Birthe Blechschmidt
  • dpa

Die Notoperation am französisch-amerikanischen Patienten Vivendi Universal wurde von höchster Stelle verordnet. Direkt aus dem Elysée-Palast vom französischen Präsidenten Jacques Chirac kam Insidern zufolge die Anweisung, Starmanager Jean-Marie Messier zu stoppen. Die Gefahr, den weltweit zweitgrößten Medienkonzern an die Wand zu fahren und große französische Finanzkonzerne mit in Bedrängnis zu bringen, schien zu groß. Der neue Vivendi-Chef Jean-René Fourtou offenbarte das ganze Ausmaß des Desasters. Er müsse die leeren Kassen des hochverschuldeten Konzerns kurzfristig mit neuen Überbrückungskrediten wieder auffüllen, erkannte der 63-jährige bei seinem Amtsantritt.

Das Eingeständnis der Liquiditätskrise schreckte die Finanzmärkte jedoch nicht auf. Mit großer Erleichterung wurde an den Börsen vielmehr der Wechsel an der Vorstandsspitze von Vivendi Universal aufgenommen. "Fourtou hat die Unterstützung der Banken und der Regierung", zeigte sich ein Händler in Paris zuversichtlich. Der Aktienkurs, der in den vergangenen Tagen praktisch in freiem Fall auf neue Tiefststände stürzte, machte wieder Boden gut und erholte sich zwischenzeitlich um 7,6 Prozent auf knapp 15 Euro; am späten Nachmittag lag der Kurs immerhin noch mit 5,54 Prozent im Plus bei 14,67 Euro.

Tatsächlich sieht sich Fourtou nicht allein vor die immense Aufgabe gestellt, den mit 35 Milliarden Euro Gesamtschulden belasteten Konzern wieder ins Lot zu bringen. Die Garde der alten französischen Managerelite steht ihm zur Seite. Claude Bébéar (66), der als Aufsichtsratschef des größten französischen Versicherungskonzern Axa zu den einflussreichsten Finanzmanagern des Landes zählt, führt selbst das Finanzkomitee von Vivendi. Der Chirac-Vertraute hat wie Fourtou enge Verbindungen zu den beiden Großbanken und Hauptgläubigern BNP Paribas und Société Générale. Der erfahrene Vorstandschef von Schneider Electric, Henri Lachmann (63), soll die künftige Strategie für den Konzern ausarbeiten.

Die Kapriolen des Jungdynamikers Messier waren dem Pariser Establishment aus Politik und Wirtschaft schon lange ein Dorn im Auge. Allzu sorglos hatte der 45-jährige nach ihrer Auffassung mit Milliarden jongliert und französische Interessen aufs Spiel gesetzt, in dem er vor allem auf Fusionen und Verflechtungen mit dem amerikanischen Film-, Fernseh- und Musikgeschäft setzte. Zunächst als visionärer Wunderknabe bestaunt, als er aufbrach, den trägen Wasserversorgungskonzern Générale des Eaux durch milliardenteure Firmenaufkäufe in einen Medien- und Telekommunikationskonzern im Weltmaßstab zu verwandeln, fiel er schnell in Ungnade. Zuletzt warf ihm sogar der frühere sozialistische Finanz- und Wirtschaftsminister Laurent Fabius vor, "ein verheerendes Bild Frankreichs und seiner französischen Wirtschaft" abgeliefert zu haben. Die frühere sozialistische Regierung hatte den von Messier geplanten Verkauf des einst nationalen Wasserversorgers abgelehnt.

Die Affäre Vivendi und der Abgang Messiers sei ein "schlechter Hollywood-Film, der schlecht zu Ende geht", meinte Fabius. Fourtou, dem auch enge Verbindungen zum neuen rechtsliberalen Premierminister Jean-Pierre Raffarin nachgesagt werden, soll nun dafür sorgen, dass der französische Part bei den Auseinandersetzungen mit den US-Großaktionären von Vivendi nicht zu kurz kommt. Branchenexperten rechnen mit einer Zerschlagung des Konzerns. Für das Bezahlfernsehen Canal+ stehen die Interessenten bereits Schlange. (Birthe Blechschmidt, dpa) / (jk)