Chinas Staatssicherheit hat Angst vor einer "Maus" im Internet

Die Geschichte von Liu Di ("Stainless Steel Mouse") ist typisch für das harte Durchgreifen und die Willkür der chinesischen Staatssicherheit gegenüber Aktivisten, die im Internet ihre Ansichten austauschen.

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Von
  • Andreas Landwehr
  • dpa

Als "Stainless Steel Mouse" ist Liu Di im Internet bekannt. Ihre Texte sind hingegen so weich und vieldeutig, dass unklar ist, warum Chinas Staatssicherheitsdienst meinte, die junge Pekinger Psychologiestudentin unbedingt in Haft nehmen zu müssen. An diesem Freitag ist es genau ein Jahr her, dass die heute 23-Jährige ihre Freiheit verlor. Anklage wurde nicht erhoben. Die Polizei präsentierte so wenig Beweise für den Verdacht einer "Untergrabung der Staatsgewalt", dass sich der sonst nicht zimperliche Staatsanwalt außer Stande sieht, die Studentin vor Gericht aburteilen zu lassen. Doch Liu Di wird weiterhin in Haft gehalten.

Die Geschichte der "Maus" ist typisch für das harte Durchgreifen und die Willkür der Staatssicherheit gegenüber Aktivisten, die im Internet ihre Ansichten austauschen. Etwa 40 Cyber-Dissidenten sitzen nach Schätzungen heute in China in Haft. Einige wurden zu Gefängnisstrafen bis zu zehn Jahren verurteilt. Andere warten auf ihren Prozess. Auch dem Bürgerrechtler He Depu, der am Donnerstag eine hohe Haftstrafe von acht Jahren bekam, wurden Texte zur Last gelegt, die er ins Internet gestellt hatte -- darunter ein Appell an US-Präsident George W. Bush, sich für mehr Menschenrechte in China einzusetzen.

Ganz anders Liu Di. Einige ihrer Texte könnten in chinesischen Zeitungen gedruckt werden. Selbst in den Chaträumen des Parteiorgans Volkszeitung sind härtere Töne zu vernehmen. Mit Dissidenten hat sie reichlich wenig zu tun. "Andere Autoren gehen viel weiter", stellt ein Intellektueller fest, der sich für Liu Di einsetzt. "Die Festnahme macht sie größer, als sie ist." Direkte Kritik an Gesellschaft oder Regierung ist bei ihr nicht erkennbar. Selbst in einem Text über die Kontrolle des Internet beklagt sie eigentlich nur die Geldverschwendung dieses hoffnungslosen Unterfangens.

Wenn Liu Di von Tyrannei spricht, geht es anhand eines ausländischen Romans darum, was Menschen anderen antun. Einmal nimmt sie russische Dissidenten in Schutz, da Kritik an der Gesellschaft "eine aufrichtige Haltung eines Intellektuellen" sei. In einem anderen Text stellt sie infrage, ob der Sozialismus für alle Fragen dauerhafte Lösungen geben kann. Es sei vielmehr seine Rolle, mit konstruktiver Kritik den Fortschritt einer kapitalistischen Gesellschaft voranzubringen. Damit weicht sie sicher von der Parteilinie ab, aber in Chinas unter den Fittichen der KP gestarteter Marktwirtschaft ist das wohl kaum staatsgefährdend. Meist bespricht sie ohnehin ausländische Romane. Das Thema "Freiheit" und "Tugend" gipfelt in der harmlosen Schlussfolgerung: "Nur wenn es das Recht auf freie Entscheidung gibt, kann es Gutherzigkeit geben."

Da wundert es wenig, dass die Internetwächter bis heute übersehen haben, ihre Webseite zu sperren, während politisch heikle Seiten von Amnesty International bis zur britischen BBC für chinesische Internetnutzer blockiert sind. Liu Dis Schicksal hat inzwischen zu einem Proteststurm im chinesischen Internet geführt. Hinter der Kampagne steckte auch der Autor Du Daobin, der schon lange und viel deutlicher gegen die Willkür und Tyrannei angeht. Bei ihm klopfte vergangene Woche die Staatssicherheit an. Die Beamten nahmen den 40-Jährigen fest, konfiszierten seine Computer, Bücher und eigene Schriften. "Er hat die Grenze überschritten", sagte ein Polizist. (Andreas Landwehr, dpa) / (jk)