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Was war. Was wird.

Publikumsbeschimpfungen sind in, aber leider, das war's dann auch schon. Ein bisschen Feiern, das ist schon besser, trotz allen Entsetzens, das sich wieder einmal einstellt, ist sich Hal Faber sicher.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Ich liebe es, meine Leser zu verärgern. Aber das geht nicht mehr. Nein, es ist nicht deswegen, weil das geldgebende Geburtstagskind zurück zur nüchternen IT-Berichterstattung will und das tanzende W des vierfachen Wahnsinns zum Wochenende abschaltet. Nein, keine Angst. Es ist vielmehr ganz einfach eine Frage der Patente und Markenzeichen. McDonald's hat im Sommer dieses Jahres "Ich liebe es" patentieren lassen, desgleichen den Schlachtruf aller EDVler, "I'm lovin IT". "Me encanta" und "C'est tout que j'aime" sind gleichermaßen Sprachfetzen, die McDonald's gehören. Das allein wäre nur eine halbherzige Warnung wert: Man sollte halt seine Liebste oder seinen Liebsten nicht wie einen Fleischklops anturteln. McDonald's ist da nur konsequent, genau wie die Stadt Heilbronn. Die hat ihre Liebste, das Käthchen nach dem dramatischen Ritterschauspiel Heinrich von Kleists, zur geschützten Marke beim Patentamt verdonnert, damit "eine sympathische Erscheinung und ein positives Markenzeichen der Stadt dem Missbrauch findiger Unternehmer" entzogen ist. Tapfere Heilbronner! Bewahrt euer scharfes Käthchen vor frevelnden Akt-Schlüssen, vor zweifelhaften Elixieren, Square-Dancern und Bielefelderinnen.

*** Zurück zu McDonald's. Ich liebe es, wenn Jim Cantalupo, der Generaldirektor des Konzerns, einen öffentlichen Protestbrief an alle Medien des McPlaneten schickt und sich darüber beschwert, dass McJobs im Lexikon so negativ besetzt, gewissermaßen ein Anti-Markenzeichen ist. Dem guten Mann ist wohl entfallen, dass der Begriff McJob von Douglas Coupland geprägt wurde und nicht unbedingt die geschickte Arbeit der Bulettenwender meint. McJobs, die "beschissen bezahlten, miserabel angesehenen, unwürdigen, nutzlosen Jobs ohne jede Perspektive" haben bei Coupland die Microserfs, die Mikrosklaven im Hause Microsoft, die ständig jammern, doch mehr aus ihrem Leben machen zu müssen.

*** Ist das quelloffene Programmierern da nicht befriedigender, weil man immerzu Spitzencode vor den wachsamen Augen weltweit verstreuter Programmierer produzieren muss? Vielleicht kann McDonald's diese romantische Frage beantworten, "I'm lovin IT" heißt es schließlich. Abseits der Buletten setzt man auf Linux, zumindest in Deutschland. Anderswo ist McDonald's mit 4000 Installationen der wichtigste Kunde der Firma SCO, die neben Software auch Vorladungen herstellt. Im Gegensatz zu denen von IBM fallen sie allerdings seltsam aus. Mit Andrew Morton, Linus Torvalds und Stewart Cohen von den Open Source Develepment Labs sowie Richard Stallman von der Free Software Foundation hat man, zoologisch gesehen, eine kleine Stampede: 3 Pinguine und ein Gnu. Logisch betrachtet, macht der Schachzug keinen Sinn. Ginge es um den verlorenen Code, hätte man schon Ransom Love holen müssen, der bei Caldera die Geschicke lenkte und bis vor kurzem die Genealogie-Software der Mormonen Internet-tauglich machte. So aber fällt der Vorhang in dem kuriosen Zwischenspiel mit Shakespeares Worten: "Tablet-PC her! Ich muss mir's niederschreiben. Dass einer lächeln kann und immer lächeln, und doch ein Schurke sein."

*** Schurkisch sind sie, die Viren, die dieser Tage einen Geburtstag begehen konnten, weil der erste dokumentierte, wissenschaftlich abgesicherte Virus sich vor 20 Jahren an die Vermehrung machte. In der Fachliteratur ist es hingegen ausgemachte Sache, dass Viren viel älter sind. Die einen heben den Elk Cloner hervor, die anderen halten sich patriotisch an Jürgen Kraus. Streng genommen müsste die Geschichte bei John von Neumann anfangen, der lange vor Stephen Wolfram die Idee mit den selbst reproduzierenden zellularen Automaten hatte. Doch was sind die gelahrten Ansichten gegen GOD, das Graphic Omnicient Device von David Gerrold, der nicht Hal, sondern Harlie, den Human Analogue Robot, Life Input Equivalents, zum literarischen Leben erweckte. GOD entsteht als Programm-Erweiterung von Harlie und macht sich dann daran, sich fortzupflanzen. Gerrold schrieb übrigens die hier schon einmal erwähnte populärste Folge des Raumschiffs Enterprise, als die Tribbles zeigen konnten, wie anständige Viren sich vermehren.

*** Von den Viren über die Steinlaus bis hin zum Mops steigt die Evolution des Lebens an, um dann mit dem Menschen den absteigenden Ast zu eröffnen. Feiern für den Schöpfer der Herren Müller-Lüdenscheid und Klöbner gab es in dieser Woche zur Genüge, darum entferne ich mich schnell und dankbar von Loriot mit einer Nudel an der Backe, um das Treiben des ebenso gemeinen wie allmächtigen Pressemops etwas näher zu beleuchten. Anders als bei der Steinlaus wird der 23. Gewalt im Staate eine geheimnisvolle Fähigkeit zugeschrieben, den deutschen Stolz zu vermusen. Sicher, könnte man antworten, haben die Pressemöpse einen naschhaften Hang zum Mus und rühren mitunter Geschichten zu Brei. Auch sind sie nicht wirklich unbestechlich wie die Möpse derer von Wum. Trotzdem, ohne sie will's uns auf dieser Welt auch nicht recht gefallen, einmal ganz ohne professionelle Voreingenommenheit gesprochen.

*** Doch ist es unnütz, im Fall von Martin "Dserschinski" Hohmann die Pressemöpse zu schelten oder gar vom Ende der Meinungsfreiheit zu schwadronieren. Hohmann ist niemals gehindert worden, seine Tätervolk-Thesen zu verkünden. Der subkutane Antisemitismus verweist auf die vorhandenen Unterschiede zwischen Meinungsfreiheit und Politik. Die strammen Deutschen, die den Juden Auschwitz nicht verzeihen können, sind schnell mit der Meinung zur Hand, dass die Freiheit der Rede endlich sei, weil sie ein Ende wünschen. Unsäglich ist gar nichts und doch alles, wenn die beste Aufklärung nichts hilft. Unsagbar ist vieles. "Und weiter hin wird's viel behäglicher, auf dieser schmalen Strandeszunge der Dunstkreis noch unsäglicher."

*** 1980 bis 2003: Glaubt man der altehrwürdigen TAZ, so ist der Hacker genau 23 Jahre alt geworden. Doch warum so pessimistisch, nur weil eine Film-Trilogie nicht richtig gefunzt hat? Wer braucht schon den Film, wenn im Web die Meatrix läuft? Hacker wird es immer geben, weil manche Dinge einfach geil sind. Außerdem ist Hacken nicht wirklich ein (dieser Link ist nur für ältere Hacker) Hochleistungssport, der früh einen Tribut vom gepeinigten Körper fordert. Wenn das Fleisch willig ist, die Tastatur angeschlossen, so kann unvermutet der Hacker, die Häckse zum Vorschein kommen, wenn Multi und Media stocken.

Was wird.

Eine friedliche Welt, in der keine Bomben in Synagogen oder anderswo explodieren. Ja, das wäre schön. Es wird aber wohl noch lange ein Wunschtraum bleiben. So beschäftigen wir uns derweil weiter mit den Trivialitäten des Lebens und der Branche, denn heute eröffnet Bill Gates die Comdex in Las Vegas. Er hält seine 20. Keynote, die der Industrie Anschwung geben soll. Doch was ist los, wenn Kommentatoren finden, dass Gates sich lieber entschuldigen soll. Für die Sisyphusarbeit, einen PC zu besitzen und ihn virenfrei zu halten. "I love my PC" stand auf einem T-Shirt, das Microsoft vor fünf Jahren an jeden Keynote-Gast verteilte. Noch ist dieser Spruch kein Markenzeichen. Aber das kann ja noch werden, wenn Microsoft es richtig anpackt und wie Apple auf eigene Hardware setzt. Dann wäre man auch das müffelnde Linux los, freut sich ganz Redmond. Eigene Hardware, eigene Weichware und die Liebesschwüre von McDonald's: Herz, was willst du mehr?

Aber nun kommt das große Räuspern. Ähem. Leute, die c't wird 20! Darauf, mit Gegröle, ein Lied, dass jeder Vater, jede Mutter aus Kinderladen/gartenzeiten hasst wie die Pest. Wie schön... Heute feiern wir nicht mit W.C.Handy, der, vor 130 Jahren geboren, als erster den Blues überlieferte, sondern mit Ralf Zukowski und der Taste of Honey! Die Roibosch-Tassen hoch, auch wenn die Redaktion lieber die XP-Zukunft feiern möchte! (Hal Faber) / (jk)