Filmwirtschaft startet Abschreckungskampagne gegen Raubkopierer
"Hart, aber gerecht" will die Filmindustrie die illegalen Kopierer anpacken und setzt auf entsprechend krasse Spots und Plakate zur Aufklärung der Bevölkerung.
- Stefan Krempl
- Volker Zota
Die deutsche Filmwirtschaft setzt ihre Hoffnung im Kampf gegen illegale Kopierer und Brenner auf eine groß angelegte Werbekampagne. "Die Branche ist sich einig, dass wir das Thema nicht so lax angehen können wie die Musikindustrie", erklärte Elke Esser, Geschäftsführerin der Zukunft Kino Marketing Gesellschaft, heute bei der Präsentation der Spots und Plakate im Berliner Sony Center. Die Aktion, die unter dem aufmerksamkeitsstarken Aufhänger Raubkopierer sind Verbrecher läuft, sei "durchaus provokant und aggressiv" gehalten. Nur mit dieser scharfen Tonart könne man mit der Zielgruppe von Leuten ins Gespräch kommen, die "schwarz gebrannte Waren auf Flohmärkten kaufen oder kopiergeschützte Filme aus dem Internet herunter laden  und dies auch gewerblich tun." Esser denkt zudem an Aufsichtspersonen wie "Lehrer, Erzieher, Eltern" und letztlich alle Leute, "die mit illegaler Ware umgehen."
Zwei Kinospots und drei Plakate bilden den Auftakt der Reihe, die ab sofort läuft. Im ersten Film ermahnt eine vollbusige Brünette im Nachthemd ihren Freund, der vor dem Computer sitzt, doch endlich ins Bett zu kommen und den "Browser-Schwachsinn" zu lassen. Als der junge Mann nicht folgt und erst noch "zu Ende brennen" will, stellt sie ihn vor die Alternative: "Bett oder Knast" und droht mit dem Ruf der Polizei. Noch umstrittener dürfte der zweite Spot werden. Darin laufen eine Handvoll junger Bengel in ein Gefängnis ein, in dem schon die alteingesessenen Schwerbrecher auf das Frischfleisch warten. Die harten Jungs freuen sich nach eigenem Bekunden riesig über die "knackigen Ärsche" der Neuzugänge.
"Die Filme sprechen für sich", glaubt Klaus Sielker, Geschäftsführer der für die Umsetzung der Kampagne verantwortlichen Berliner Agentur Zum goldenen Hirschen, "werden aber durch eine Reihe von Plakaten unterstützt." Sie nehmen zum einen Bezug auf den Knaststreifen, zum anderen aber auch auf aktuelle Filme, wenn etwa ein Jugendlicher in Handschellen als der "Herr der Ringe!" vorgestellt wird. Abgerundet wird die Motivreihe durch ein "Fahndungsplakat", mit dem nach "Raubkopierern" gesucht wird. Durch die Bank wird bei allen Werbemitteln am Ende die zentrale Botschaft verbreitet, dass Raubkopierer seit der umstrittenen Novellierung des Urheberrechts Mitte September "mit Freiheitsentzug bis zu fünf Jahren bestraft" werden können.
Man arbeite bewusst "mit dem Mittel der Parodie und Übertreibung", um eine Diskussion über das drohende Strafmaß auszulösen, begründete Sielker den Ansatz. Seiner Meinung nach zeigt die Strategie, in der Bevölkerung um Verständnis zu bitten, keine Wirkung. Sein Haus wolle lieber den "schwarzen Humor kopieren", der die englische Werbung so berühmt und erfolgreich macht. Es gehe nicht "um die Kriminalisierung der gesamten Bevölkerung", stritt Esser entsprechende Vorwürfe ab. Sie beklagte, dass es bisher kaum ein Unrechtsbewusstsein gäbe. Man wolle darauf hinweisen, dass eine legale Nutzung von Film nur dann möglich sei, wenn man ins Kino gehe, eine rechtmäßige DVD kaufe oder leihe oder kostenpflichtige Video-on-Demand-Services nutze. Neben der organisierten Kriminalität mit massiven Urheberrechtsverstößen habe sich auch der "Bereich von Illegalität" in jüngster Zeit stark vergrößert, "der erreicht ist, wenn Privatpersonen in größerem Umfang als für den privaten Bedarf Kopien herstellen und weiter verbreiten".
Die Filmbranche macht seit längerem Brenner und Nutzer von Online-Tauschbörsen für ihre Umsatzeinbußen verantwortlich. Die Verluste lägen für 2002 bei rund 800 Millionen Euro für die Bereiche Kino, Verleih und DVD in Deutschland, rechnete Esser vor. Dabei geht sie davon aus, dass rund 18 Millionen hierzulande mit der "illegalen Ware" in Berührung kommen und dass davon rund zehn Prozent nicht mehr ins Kino gehen und etwa 20 Prozent keine DVD eines schon gesehenen Films kaufen.
Um diese "dramatische Entwicklung" zu stoppen, kündigte Johannes Klingsporn, Geschäftsführer des Verbands der Filmverleiher, neben der Kampagne weitere Schritte an. So werde die Branche verstärkt mit digitalen Wasserzeichen arbeiten und die straf- und zivilrechtlichen Ansatzpunkte des neuen Urheberrechts voll nutzen. Unisono mit dem Forum der Rechteinhaber forderte er für die zweite Reformstufe zudem dringend einen eigenen Auskunftsanspruch gegen die Provider.
Siehe dazu auch:
- Der Fels im Strom der digitalen Veränderungen in Telepolis
(Stefan Krempl) / (vza)