Bayerns geplantes Solo bei Online-Razzien ist heftig umkämpft
Der Vorstoß von Bayerns neuem Innenminister Johannes Hermann, Verfassungsschützern des Freistaats unverzüglich eine Lizenz für heimliche Online-Durchsuchungen zu geben, hat die Opposition empört und Strafverfolger erfreut.
Der Vorstoß von Bayerns neuem Innenminister Johannes Herrmann (CSU), Verfassungsschützern des Freistaats unverzüglich eine Lizenz für heimliche Online-Durchsuchungen zu geben, hat die Opposition empört und Strafverfolger erfreut. SPD, FDP und Linke lehnten das Vorhaben entschieden als übereilt und übertrieben ab. "Ein voreiliger bayerischer Sonderweg ist weder geboten noch sachgerecht", erklärte der bayerische SPD-Fraktionschef Franz Maget am gestrigen Sonntag in München. Die große Koalition habe sich auf Bundesebene einvernehmlich darauf verständigt, das für Frühjahr angekündigte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Befugnissen für Online-Durchsuchungen durch die Staatsschützer in Nordrhein-Westfalen abzuwarten. Er appellierte daher an die in Bayern allein regierende CSU und an Herrmann, "dass sie diese Vereinbarung einhalten".
Vor einem "Schnellschuss" warnte auch Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Es handle sich um eine "peinliche Profilierungsgeschichte". Ein prinzipieller Gegner von Online-Razzien ist Wiefelspütz freilich nicht. Ihm zufolge geht es nur noch um das "Wie" der Ausforschung informationstechnischer Systeme, nicht mehr um das "Ob". Nach der ausstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz werde man unverzüglich der verdeckten Online-Durchsuchung mit den von Karlsruhe geforderten Einschränkungen zustimmen.
Der Innenexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler, attestierte dem bayerischen Landesinnenminister eine "grobe Respektlosigkeit gegenüber dem Bundesverfassungsgericht". Der bayerische Parlamentarier sprach von einer "Machtdemonstration von Herrn Herrmann, der als neuer Innenminister gegenüber der konservativen Wählerschaft beweisen will, dass er eine harte Linie verficht". Es mache ja keinen Sinn, vor dem Karlsruher Grundsatzurteil einen eigenen Gesetzentwurf anzukündigen. Die Online-Durchsuchung sei ein so massiver Eingriff in die Grundrechte, "dass Hau-Ruck-Aktionen und übertriebener Ehrgeiz hier völlig fehl am Platz sind".
Die Linke äußerte sich ebenfalls erzürnt. "Auch der Freistaat Bayern ist nicht frei von den Geboten des Grundgesetzes", sagte Fraktionsvize Petra Pau. Das heimliche Ausspähen von Computern greife tief in verbriefte Grundrechte der Bürger ein. Daher sei das Thema zunächst unbedingt vom Bundesverfassungsgericht zu klären.
Der für große Teile Nordbayerns zuständige Generalstaatsanwalt in Bamberg, Heinz-Bernd Wabnitz, will die Strafverfolger derweil nicht hinter den Staatsschützern zurückstehen wissen. Beim Jahresempfang der Justiz im Oberlandesgerichtsbezirk Bamberg unterstützte der 64-jährige Experte für Wirtschaftskriminalität daher laut der Frankenpost die Forderung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) und forderte entsprechende Pendants auf Länderebene: "Wir müssen in die Computer hinein."
Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden ist die Möglichkeit heimlicher Online-Durchsuchungen gemäß dem Staatsanwalt dringend erforderlich. "Wir müssen eine entsprechende Befugnis für spezielle und eng begrenzte Fälle schaffen, die es – nach entsprechender richterlicher Anordnung – gestattet, auf beweisrelevante Daten verdeckt, frühzeitig und gezielt zuzugreifen, bevor diese verschlüsselt oder unauffindbar im Internet abgelegt werden." Als Ursache nannte er die wachsenden Ausmaße der Cyber-Verbrechen. Nur langsam würden Öffentlichkeit und Politik begreifen, "was sich in den Weiten des Internets an Möglichkeiten, Strafbares zu tun, weltweit zusammenbraut". Es gebe kaum noch einen Kriminalitätsbereich, in dem das Internet als Tatmittel keine Rolle spiele. Die Palette reiche vom internationalen Terrorismus über Kinderpornografie und die Verbreitung von rechtsradikalem Gedankengut bis hin zum Betrug bei Online-Auktionen.
Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:
(Stefan Krempl) / (jk)