AMD liefert Quad-Core-Opterons endlich aus und veröffentlicht Benchmarks

Mit rund neun Monaten Verspätung beginnt nun endlich die Auslieferung der Vierkernprozessoren für Standard-Server, während AMD in einer tiefen Finanzkrise steckt.

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Mit dem Beginn der Auslieferung von Quad-Core-Serverprozessoren für Standard-Server kann die Firma AMD ihr ramponiertes Image nun wieder polieren: Viele Benchmark-Rekordmarken sollen die wegen der enormen Lieferverzögerungen zwischenzeitlich für ungültig erklärten Veröffentlichungen vergessen machen. Gleichzeitig steckt AMD aber in einer schweren Finanzkrise: Die hohen Belastungen durch die Übernahme des Grafikchip- und Chipsatzherstellers ATI sowie drastisch abgeschmolzene CPU-Verkaufspreise haben AMD enorme Verluste beschert, das letzte Quartal – Ergebnisse will AMD am 17. April veröffentlichen – lief noch schlechter als prognostiziert. Trotz der Platzierung milliardenschwerer Wandelanleihen und des Einstiegs arabischer Investoren musste die Firma deshalb nun die Entlassung von rund 10 Prozent ihrer Mitarbeiter ankündigen. Der Aktienkurs droht wieder unter die Marke von 6 US-Dollar abzusacken (in Deutschland steht AMD zurzeit bei 3,82 Euro), nachdem die Rating-Agenturen Standard & Poor's sowie Moody's das AMD-Papier abgestuft haben, wie Forbes meldet. Spekulationen über eine mögliche Übernahme – Namen wie IBM, Nvidia, Samsung werden genannt – sowie über einen Ausstieg aus der eigenen Chip-Produktion machen schon länger die Runde.

Die Quad-Core-Serverprozessoren mit den K10-Kernen namens Barcelona für die Baureihen Opteron 2000 (Server und Workstations mit zwei CPU-Fassungen) und 8000 (Server mit vier und mehr Sockets) hatte AMD noch 2006 für Mitte 2007 angekündigt. Als dieser Termin verstrich, kamen so viele Spekulationen auf, dass sich AMD-Chef Ruiz persönlich zu Erklärungen genötigt sah. Doch auch der "offizielle" Vorstellungstermin im September 2007 geriet zum PR-Desaster, weil AMD statt den Intel-Xeons überlegener CPU-Renner bloß relativ langsame und stromdurstige und zu allem Unheil auch noch mit einem (selten auftretenden) Fehler geschlagene Prozessoren liefern konnte.

Die AMD-Pannen frustrierten wichtige Schlüsselkunden wie Cray und Sun – der HPC-Cluster Ranger hätte bei rechtzeitiger Fertigstellung das Zeug gehabt, sich an die Spitze der Top-500-Liste im Herbst 2007 zu setzen; im kommenden Juni muss Sun sich wohl mit einem Platz hinter Cray begnügen. Statt also Rekorde zu feiern, musste AMD Ende 2007 zusehen, wie die SPEC sämtliche bereits veröffentlichten CPU2006-Ergebnisse mangels lieferbarer Vierkerne für ungültig erklärte. Das war besonders peinlich, weil AMD vor mittlerweile fast genau einem Jahr Performance-Schätzungen zu 2,6-GHz-Barcelonas veröffentlicht hatte. Unterdessen brachte Intel – zwar ebenfalls mit leichten Verzögerungen – in aller Ruhe die 45-Nanometer-Prozessorgeneration an den Start und kann mittlerweile eine breite Palette sehr effizienter Zwei- und Vierkernprozessoren für Server, Desktop-Rechner und Notebooks liefern.

Der Lieferstopp für die Serverprozessoren im fehlerhaften B2-Stepping war eine finanziell sehr schmerzhafte Entscheidung, denn auf dem Barcelona-Vierkern fußt die AMD-Strategie zur Rückkehr in die (operative) Gewinnzone. Nun will AMD alle Versprechen halten, um wieder Vertrauen aufzubauen.

Den fehlerbereinigten Desktop-PC-Prozessoren Phenom X4 und X3 sollen nun Opterons im B3-Stepping folgen. Nachdem HP bereits mit einer eigenen Ankündigung vorgeprescht war, kündigt nun auch AMD die sofortige Verfügbarkeit von Quad-Core-Opteron-Maschinen von HP "und anderen Systemherstellern" (auf die AMD nicht weiter eingeht) an. Welche CPU-Versionen nun genau lieferbar sind, verrät die AMD-Pressemitteilung ebenfalls nicht; HP jedenfalls offeriert nur die "Mainstream"-Modelle mit 2,1 GHz (Opteron 2352), 2,2 GHz (Opteron 2354/8354) und 2,3 GHz (Opteron 2356/8356) mit jeweils 75 Watt ACP und 95 Watt TDP. Die in der AMD-Preisliste ebenfalls aufgeführten SE-Opterons mit Taktfrequenzen von bis zu 2,5 GHz und 95/120 Watt sowie die High-Efficiency-(HE-)Versionen mit 55/68 Watt werden laut dieser AMD-Webseite "spät im zweiten Quartal 2008" erwartet. Dann sollen offenbar auch die "Budapest"-Vierkerne Opteron 1352, 1354 und 1356 für kleine Server mit nur einer Prozessorfassung (AM2+) und HyperTransport 3.0 kommen.

Schon die jetzt von HP ausgelieferten Opteron-Maschinen können Intels Xeons in einigen Benchmarks ausstechen, wie die neuen Veröffentlichungen von Ergebnissen im SPEC CPU2006 (fp_rate_2006-Rekordwerte für Server mit zwei oder vier Vierkernen) sowie ein Preis-/Leistungs-Bestwert für Vier-Sockel-Server im Datenbank-Benchmark TPC-C zeigen. Mit ihrem hohen Gleitkomma-Durchsatz eignen sich die Vierkern-Opterons gut für HPC-Cluster; auf diesen Markt zielt etwa auch der IBM System x3455.

Weil AMD das HyperTransport-Interface, das LGA1207/Socket-F-Prozessorgehäuse, die Versorgungsspannung und die Leistungsaufnahme nicht verändert hat, sollen sich auch viele bereits vorhandene Rechner mit Dual-Core-Prozessoren leicht aufrüsten lassen – falls ein BIOS-Update bereitsteht. Der Löwenanteil der Prozessoren wird allerdings in neuen Maschinen verkauft, der Aufrüst-Markt spielt nur eine kleine Rolle und kann AMD deshalb kaum aus den roten Zahlen helfen. Wichtig für AMD ist nun, dass Serverhersteller möglichst viele neue Opteron-Systeme vorstellen.

Obwohl AMD betont, dass die Quad-Core-Opterons sehr effizient arbeiten sollen, wurden bisher noch keine Barcelona-Ergebnisse des Effizienz-Benchmarks SPECpower_ssj2008 veröffentlicht. Möglicherweise hebt sich AMD solche Werte bis zum Erscheinen der HE-Opterons auf. Zum Effizienzvergleich zwischen Opteron- und Xeon-Systemen gibt es bisher nur eine umstrittene Studie der Firma Neal Nelson Associates, bei der das Intel-Vergleichssystem mit 65-nm-Xeons in einem älteren Stepping und zahlreichen Fully-Buffered-DIMMs bestückt war, also nicht mit den sparsameren 45-nm-Prozessoren und den mittlerweile erhältlichen, genügsameren FB-DIMMs oder dem RDIMM-Chipsatz 5100.

Wären die K10-Prozessoren wie erwartet Mitte 2007 gestartet, hätten sie gegen Intels 65-Nanometer-Prozessoren antreten können und dabei wesentlich besser abgeschnitten. Doch Intels 45-nm-Produkte haben deutliche Verbesserungen gebracht, sodass es die AMD-Produkten in puncto Performance und Effizienz schwer haben. AMD ist deshalb weiterhin gezwungen, über den Preis zu konkurrieren, ist also weiter dem Preisdruck seitens Intel ausgesetzt. Dabei leidet der AMD-Profit, weil die Fertigungskosten für den monolithischen Barcelona-Vierkern mit 283 Quadratmillimetern Siliziumfläche deutlich höher liegen als für zwei von Intels 45-nm-Doppelkernen mit jeweils 107 Quadratmillimetern.

Zurzeit kann AMD fast nur im Bereich der besonders preiswerten Rechner attraktive Alternativen zu Intel-Produkten offerieren. Selbst wenn AMD die laufenden Verfahren wegen unlauteren Wettbewerbs gegen Intel gewinnt, wird sich daran wenig ändern – AMD braucht schlichtweg deutlich performantere Produkte, um höhere Verkaufspreise erzielen zu können. Mit Hochdruck arbeitet AMD deshalb an der Einführung der eigenen 45-nm-Technik, erste 45-nm-Prozessoren – unter anderem mit größeren Caches – sollen bereits im zweiten Halbjahr 2008 erscheinen. Doch dann will Intel abermals leistungsfähigere Prozessoren einführen, etwa den Hexa-Core-Serverprozessor Dunnington und die ersten Vertreter der Nehalem-Generation. (ciw)