23C3: Chaos Computer Club stellt die Vertrauensfrage

Unter der Devise "Who can you trust?" werden sich die Hacker zwischen den Jahren auf dem 23. Chaos Communication Congress mit gesetzlichen Verboten ihrer Arbeit, Wahlmaschinen, RFID und anderen Ăśberwachungstechniken befassen.

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Unter dem Aufhänger "Who can you trust?" werden sich die Hacker im Umfeld des Chaos Computer Club (CCC) zwischen den Jahren auf dem 23. Chaos Communication Congress (23C3) im Berliner Congress Center vier Tage lang mit Themen wie drohenden neuen gesetzlichen Verboten ihrer Arbeit, dem drohenden Verlust der Demokratie durch Wahlmaschinen, RFID und anderen staatlichen wie privaten Überwachungstechniken befassen. Für die Einstimmung am Mittwoch wird mit John Perry Barlow ein ausgewiesener Anhänger eines von staatlichen Regulierungen freigehaltenen Cyberspace sprechen.

Der ehemalige Songschreiber der Grateful Dead ist als MitgrĂĽnder der US-BĂĽrgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation (EFF) ein alter geistiger Bruder der CCC-Protagonisten. Der ViehzĂĽchter auĂźer Dienst wird sich sicher nicht die Chance entgehen lassen, vor dem Hackerauditorium die Bedeutung der Freiheitsrechte auch in Zeiten des Kampfs gegen den Terrorismus und der digitalen Fesselung von Inhalten durch DRM-Systeme zu unterstreichen. Moralische UnterstĂĽtzung kann den Datenreisenden nicht schaden, nachdem ein Teil von ihnen im vergangenen Jahr den "Krieg" gegen Big Brother verloren gab und sich vom "Robin-Hood-Heroismus" der vergangenen 25 Jahre Club-Geschichte verabschiedete.

Nicht fehlen darf auf dem Kongress eine Auseinandersetzung mit den "praktischen Auswirkungen" der geplanten Verschärfungen des Strafrechtes zur Bekämpfung der Computerkriminalität, an denen die Bundesregierung trotz heftiger Kritik aus dem Bundesrat festhält. Der CCC bemängelt seit langem, dass damit eine ganze Klasse von Systemwerkzeugen in Form der "Hackertools" verboten werden soll und Sicherheitsprüfer so mit einem Bein im Gefängnis stünden. Trefflicherweise wird am dritten Konferenztag ein Rechtsanwalt über "das Recht zu schweigen" bei Durchsuchung, Beschlagnahme und Vernehmung" aufklären und "Strategien für den Umgang mit Polizei und Staatsanwalt" verraten.

Neue Trends in der Strafverfolgung und Telekommunikationsüberwachung mit der Einführung der verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung, fortschreitendem Data Mining oder den heiß debattierten "Online-Durchsuchungen" alias "Staatshacken" stehen genauso auf dem Programm gleich des ersten Tages wie die Selbstaufgabe der Privatheit im Web 2.0 oder die "Gäste-Überwachung in Hotels durch staatliche und private Schnüffler". Eine eigene "Onion Corner" haben gleichzeitig aber auch die Entwickler von Anonymisierungssoftware gemäß dem Prinzip des "Onion Routing" eingerichtet bekommen. Nicht fehlen darf zudem eine Auseinandersetzung mit "militärischen Hackern" in Form von "Informationskriegern". Und natürlich geht es um die Zukunft von Open Source oder den Einsatz freier Software für Spezialaufgaben wie Übersetzungsmaschinen.

Auch für Verschwörungstheoretiker dürfte wieder der ein oder andere Leckerbissen dabei sein. CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn wird etwa über die "Kritik an den Illuminaten zwischen 1787 und 2006" und damit einhergehend über den "Stand der Auseinandersetzung zwischen Discordiern" und anderen Angehörigen von Geheimorden berichten. Für Stimmung auf der "größten europäischen Hackerparty" werden ansonsten am Freitagnacht sicher auch das "Powerpoint Karaoke" und das "Hacker Jeopardy" sorgen. Dummerweise sind alle diese drei Termine zur gleichen Zeit angesetzt. Am Abschlusstag steht neben dem traditionellen Blick in die Glaskugel zum Auskundschaften künftiger Sicherheitsdebakel auch eine Selbstbespiegelung der Szene von "Nerds und Geeks zwischen Stereotyp und Subkultur", auf dem Programm; zudem gibt es noch Einsichten in mögliche Verbindungen zwischen Podcasting und investigativem Journalismus oder "Chaos und Kritische Theorie" sowie Hintergründe zu nützlichen Geräten wie der universellen Fernbedienung TV-B-Gone zum Abstellen von Fernsehern auch an öffentlichen Einrichtungen.

Bei den Übertragungstechniken wollen sich die Organisatoren, die sich im vergangenen Jahr über die nicht annähernde Ausschöpfung der zur Verfügung gestellten Netzbandbreite durch die Teilnehmer beklagten, erneut auf der Höhe der Zeit zeigen und neben einer höheren Zahl an Live-Streams auch einen "Veranstaltungsrundfunk" via DVB-T bieten. Das "Überall-Fernsehen" soll zumindest den Alexanderplatz rund um die Veranstaltungsstätte als erweiterte Empfangsstätte des Kongress-Fernsehens erschließen und auch dortige Schnellimbiss-Restaurants abdecken. Die Freigabe der Lizenz durch die Bundesnetzagentur erwarten die Hacker erst am morgigen Freitag gleichsam als "Weihnachtsgeschenk". Die erlaubte Sendestärke soll 5 Watt betragen. Um die Segnungen der digitalen Rundfunktechnik nutzen zu können, sollten sich interessierte Kongressbesucher am besten noch einen USB-Stick für den DVB-Empfang unter den Tannenbaum legen lassen.

Siehe dazu auch:

Zum 22C3 im Jahr 2005 siehe:

Zum 21. Chaos Communication Congress im Jahr 2004 siehe auch:

Zum 20. Chaos Communication Congress im Jahr 2003 siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)