Urteil schränkt Videoüberwachung ein
Bürgersteige dürfen nicht flächendeckend von Kameras erfasst werden, entschied das Amtsgericht Berlin Mitte.
Für die Öffentlichkeit zugängliche Gehwege dürfen nicht vollständig mit Videokameras überwacht werden. Dies entschied das Amtsgericht Berlin Mitte am Donnerstag. Das Urteil könnte Signalwirkung haben, denn nach Ansicht der Datenschützer nimmt die Videoüberwachung öffentlicher Räume immer mehr überhand.
Der Richter hat dem KulturKaufhaus Dussmann an der Berliner Friedrichstraße untersagt, eine belebte und zu dem Geschäft gehörende Arkade flächendeckend von elektronischen Augen beschatten zu lassen. Maximal dürfe der Bürgersteig in einem Umfang von einem Meter ins Kameravisier genommen werden, heißt es in dem Schiedsspruch mit dem Aktenzeichen 16 C 427/02. Eine vollständige Überwachung der Passage hielt das Gericht auch dann für rechtswidrig, wenn die kontrollierten Bereiche im Eigentum eines Privatunternehmens stehen. Es sei auf jeden Fall eine unbeobachteter Tunnel für Passanten freizuhalten.
Das Urteil ist eine Schlappe für die Dussmann-Gruppe, da sie Sicherheitstechnik und Gebäudemanagement auch als Dienstleistung anbietet. Geklagt hatte ein Berliner Journalist, der sich beim Gang zur Arbeit und zu Verwaltungsbehörden in Mitte von der ständig mitlaufenden Kamera in seinen Grundrechten verletzt fühlte. Unterstützt wurde er von der Humanistischen Union. Der Sprecher der Bürgerrechtsorganisation, Nils Leopold, freute sich gegenüber heise online über den erstrittenen "Teilerfolg". Nun müsste nicht nur Dussmann, sondern beispielsweise auch DaimlerChrysler in "seinem" Viertel am Potsdamer Platz das eingeführte System zur Videoüberwachung komplett überdenken und neu gestalten.
Ganz zufrieden ist Leopold aber noch nicht. Für den Bürger ist seiner Meinung nach bei dem gestatteten Überwachungsraum von einem Meter "nicht erkennbar, in welchem Umfang eine Kamera filmt". Die Humanistische Union prüft daher, ob sie Dussmann zuvorkommen und ihrerseits eine Berufung beantragen soll. "Der Richter sah weiteren Spielraum bei der Entscheidung", glaubt Leopold festgestellt zu haben. Das Vordringen der Videoüberwachung in immer mehr öffentliche Räume ist insgesamt heftig umstritten. Die Polizei und die Innenminister sehen darin ein geeignetes Mittel zur effektiven Strafverfolgung, während Datenschützer den Aufbau unkontrollierbarer Videoarchive und mögliche Koppelungen mit biometrischen Analyseverfahren zur Identifizierung von Einzelpersonen fürchten. (Stefan Krempl) / (ad)