SCO vs. Linux: Virus auf Zeitreise
Für die SCO Group ist der MyDoom-Wurm mit seiner einprogrammierten Attacke auf die Webpräsenz der Firma eine willkommene Abwechslung im Einerlei der Klagen über die Veruntreuung des geistigen Eigentums durch Linux-Anwender.
Für die SCO Group ist der MyDoom-Wurm mit seiner einprogrammierten Attacke auf die Webpräsenz der Firma eine willkommene Abwechslung im Einerlei der Klagen über die Veruntreuung des geistigen Eigentums durch Linux-Anwender oder die Vertragsverletzungen von IBM durch geklauten Unix-System-V-Code im Linux-Kernel. Weil die breite Öffentlichkeit die Windungen der SCO-Geschichte, wie sie der mittlerweile berühmt-berüchtige Heise-Schwanz auch in dieser Meldung wieder dokumentiert, nicht unbedingt kennt, ist Platz für Vereinfachungen im Stil von SCO. Ein Beispiel von vielen bot gestern die Berliner Morgenpost mit Furcht und Elend des Computerzeitalters. Dem Artikel zufolge gehören die Patente des Unix-Systems der amerikanischen Firma SCO. Und, heißt es dann unter der Überschrift Gefahr durch neuen Super-Wurm, wobei Ansprüche von SCO an Teilen von Linux postuliert werden: "Wer Linux will, soll darum zahlen. Das ärgert die Nutzer und hat sie wohl Mydoom B. entwickeln lassen."
Doch MyDoom ist noch in anderer Hinsicht nützlich. So soll der Wurm nach Informationen der lokalen Tageszeitung Deseret News durch Computer mit falsch gestellten Uhren bereits jetzt die Web-Präsenz der Firma gefährden. In ihrer neuesten Pflichtveröffentlichung für die amerikanische Finanzaufsicht SEC, die sich mit dem abgelaufenen Finanzjahr 2003 beschäftigt, führt die SCO Group den Virus bereits als Grund dafür an, dass das Geschäft womöglich unter den Erwartungen bleibt. Außerdem werden in dem Dokument die DDoS-Attacken der Vergangenheit als Taten den Pinguinistas angelastet: Die Verfechter von Linux hätten ein breites Spektrum an Aktionen gestartet, den Ruf der SCO Group zu beschädigen.
Die neue Pflichtveröffentlichung überrascht im Anhang mit Dokumenten aus dem Jahre 2002, die die Rolle der Investmentbank Morgan Keegan bei den Lizenzabkommen mit Microsoft und Sun Microsystems beleuchten. Von den Lizenzgeschäften erhielten die Banker Provisionszahlungen in Form von 200.000 SCO-Aktien, die damals ungefähr 2000 Dollar wert waren. Morgan Keegan verdiente auch an dem Investment von BayStar Capital und der Royal Bank of Canada. Die auf Übernahmeverhandlungen spezialisierten Banker von Morgan Keegan erwähnen in ihren Schreiben das ungewöhnliche Procedere, zeigen sich aber mit den Zahlungsmodalitäten einverstanden. Die Dokumente aus den Anfangszeiten der SCO Group sind ein Indiz dafür, dass die SCO Group ursprünglich nur den Plan hatte, von einer größeren Firma aufgekauft zu werden.
Die Pflichtveröffentlichung, die die Zahl der in der Entwicklung tätigen Programmierer mit 75 angibt, skizziert SCO ganz im Lichte einer Firma, der es vor allem um die Weiterentwicklung der eigenen Betriebssysteme OpenServer und UnixWare geht. So sollen die Entwicklungsanstrengungen erheblich verstärkt werden und sicherstellen, dass beide SCO-Angebote vom Markt akzeptiert und gekauft werden.
Zu den Entwicklungen im Streit zwischen SCO, IBM und der Open-Source-Gemeinde siehe auch:
- SCO vs. Linux: SCO setzt Kopfgeld auf Wurm-Autor aus
- IBM zieht die Sache durch
- Der Kapitalismus als gefährdete Art
- SCO klagt Novell der Verleumdung an
- Red Hat bietet Software-Garantie an
- Lizenzen sollen weltweit heilen
- ... und dann kam der Weihnachtsmann
- Showdown am Noorda-Corral
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- Novell beansprucht das Unix-Copyright
- Stagnierendes Geschäft mit DMCA-Klage anschieben
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- Gemeinsam die Fakten umarmen
- Attacke oder Panne?
- Investoren zweifeln
- Bilanz verschoben -- Code erzwungen
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- Ohne Lizenz oder ohne Ahnung?
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- Die GPL gilt für die FSF
- Kriegskasse aufgefüllt
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- /* Der Beweis und seine Folgen */
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(Detlef Borchers) / (jk)