Mittelstandsvereinigungen warnen Bundeskanzler vor Softwarepatenten
Eine Ausweitung des Patentschutzes auf Computerprogramme würde die Gesamtwirtschaft treffen und Arbeitsplätze vernichten, betont der Bundesverband mittelständische Wirtschaft.
Eine Ausweitung des Patentschutzes auf Computerprogramme würde die Gesamtwirtschaft treffen, Arbeitsplätze kosten und Outsorcing nicht verhindern, schreibt Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) in einem Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder. In der vierseitigen Warnung vor falschen Schritten im Rahmen des umstrittenen Brüsseler Projekts zur Erlassung einer Richtlinie zum Schutz "computerimplementierter Erfindungen", die heise online vorliegt, bittet Ohoven um mehr Aufrichtigkeit in der Debatte um Softwarepatente und führt dem Kanzler die Folgen eines breiten Monopolschutzes für die IT-Wirtschaft hierzulande vor Augen.
Konkret wendet sich der Verbandschef gegen "rechtsdogmatische Wortspiele" etwa aus dem Bundesjustizministerium, die einer "wirklichen Problemlösung" entgegenstehen. Der Richtlinienentwurf des EU-Rats errichtet laut Ohoven "nur Scheinbeschränkungen für die Patentierung von Softwareideen". Diese würden größtenteils darauf hinauslaufen, dass "nur technische" Erfindungen als patentierbar deklariert würden, ohne den Begriff der Technik jedoch genauer einzugrenzen. Hier setzt der Verband auf Definitionen des Bundesgerichtshofs, die eine Patentierung "reiner Computerlogik" ablehne und die Technik mit der Naturwissenschaft in Verbindung bringt. Die Befürworter des Richtlinienentwurfs des Ministerrats lehnen dies jedoch strikt ab, weil sie andernfalls etwa einen mangelnden Erfindungsschutz im Bereich Mobilfunk oder Embedded Systems nicht gegeben sehen.
Darüber hinaus teilt Ohoven dem Kanzler seine Sorge mit, dass der Wunsch "weniger Großkonzerne" nach einer Ausweitung des Softwarepatentschutzes -- wie jüngst vom Bundesverband der deutschen Industrie verdeutlicht -- "keine vorteilhaften Effekte für den Arbeitsmarkt" mit sich bringe. Denn "auch wenn Siemens seine Patente auf die Standorte München und Berlin anmeldet, wird durch Ausweitung der Patentierbarkeit keineswegs verhindert, dass Siemens zunehmend seine Software in Indien entwickeln lässt". Dagegen schaffe die einheimische mittelständische IT-Branche Arbeitsplätze hierzulande.
Im Mittelstand hat sich derweil in Hamburg eine Initiative "gegen Patentierbarkeit von Software" gebildet. Die Unterstützer wollen mit einer noch für weitere Teilnehmer offenen Erklärung erreichen, "dass Unternehmen auch zukünftig Software ohne Einschränkung durch Patentansprüche auf Geschäftsmodelle, Algorithmen, Computerprogramme und Datenformate entwickeln und nutzen können". Bisher haben sich 77 Firmen dem Vorstoß angeschlossen.
Zum Thema Softwarepatente siehe auch:
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- Ein Interview mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Ministerialdirektor Elmar Hucko über Softwarepatente, Urheberrecht und geistiges Eigentum veröffentlichte c't in Ausgabe 16/2004: "Das Urheberrecht kennt kein Recht auf Privatkopie", c't 16/2004, S. 158
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- Bitkom gegen Softwarepatent-Umfrage des Wirtschaftsministeriums
- Wirbel um Softwarepatent-Umfrage
- Gefahr für den IT-Mittelstand, Die Softwarepatent-Richtlinie des EU-Rates erhitzt die Gemüter, c't 13/2004, S. 22
- Die Brüsseler Patentschlacht, Der Streit um EU-Softwarepatente in der vorletzten Runde, c't 12/2004, S. 60
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(Stefan Krempl) / (anw)