EU-Rat nickt Verordnung für Biometriepässe ab
Gemäß der neuen Regelung müssen die EU-Staaten bis Mitte 2006 maschinenlesbare Gesichtsbilder und bis 2008 auch Fingerabdrücke in die Reisepässe aufnehmen.
Der Rat der Europäischen Union hat am Anfang der Woche die umstrittene Verordnung zur Einführung biometrischer Merkmale in Reisepässen ohne weitere Diskussion verabschiedet. Gemäß der Endfassung der Vorgabe müssen die EU-Mitgliedsstaaten maschinenlesbare Gesichtsbilder innerhalb 18 Monaten, also bis Mitte 2006, in die Ausweisdokumente aufnehmen. Für die Fingerabdrücke ist eine Übergangfrist bis Anfang 2008 vorgesehen. Die beiden biometrischen Merkmale sollen gemäß der Vorgaben der Internationalen Zivilen Luftfahrtorganisation ICAO auf einem Funkchip gespeichert werden. Die genauen Fassungsvermögen der Speichereinheiten legt die Verordnung nicht fest. Der Chip soll allein fähig sein, die "Integrität, Authentizität und Vertraulichkeit der Daten" zu garantieren.
Die Lagerung der biometrischen Merkmale auch in einer zentralen Datenbank, gegen die sich Datenschützer insbesondere ausgesprochen hatten, schreibt die Verfügung nicht vor. Sie stellt es einem Mitgliedsstaat zudem in Artikel 4 frei, noch weitere maschinenlesbare Informationen -- also etwa auch ein zusätzliches biometrisches Merkmal -- "im Einklang mit seiner nationalen Gesetzgebung" in Personalausweise oder andere Reisedokumente aufzunehmen. Verdeckt darf die Einfügung dieser Daten aber nicht erfolgen. Die Verordnung soll zwanzig Tage nach ihrer Veröffentlichung im Verlautbarungsorgan der EU in Kraft treten. Die Regelung ist für Großbritannien nicht verbindlich, da sich das Inselreich den allgemeinen Grenzkontrollregeln der EU nicht gänzlich angeschlossen hat.
Mit dem Abnicken des Rahmenwerks hat sich der Rat über das Votum des Europaparlaments erwartungsgemäß hinweggesetzt. Die Abgeordneten hatten sich Anfang Dezember dafür ausgesprochen, dass nur das Gesichtsbild verbindlich in die Pässe eingefügt werden und der Fingerabdruck optional bleiben sollte. Gleichzeitig räumte das Parlament, das in Sicherheitsfragen noch kein Mitentscheidungsrecht in der EU hat, aber auch der vom Rat inzwischen vorgelegten Aufrüstung der Pässe mit zwei biometrischen Merkmalen den Weg frei.
Auf einen echten Konfrontationskurs mit dem Ministergremium wollte die Mehrheit der Parlamentarier -- anders als in der Flugdatenaffäre -- nicht umschwenken. Dass dank diesem Umweg über Brüssel die Regierungsvertreter zudem die nationalen Parlamente umgangen haben, hat auch im Bundestag heftige Empörung ausgelöst. Der hatte sich schließlich im Terrorismusbekämpfungsgesetz von 2001 ein Mitspracherecht bei den Biometriepässen ausbedungen. Die Volksvertreter wurden so aber nun komplett überfahren.
Bürgerrechtsbewegungen kritisieren das gesamte Verfahren weiter scharf. Die 400 Millionen EU-Bürger würden nun "als Kriminelle" auf Grund der erkennungsdienstlichen Maßnahmen mit den Fingerabdrücken behandelt, heißt es in einer Stellungnahme der "European Digital Rights"-Initiative (EDRi). "Die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten tauschen die fundamentalen Datenschutzrechte ihrer Bürger für ein Sicherheitsversprechen ein, das den Erwartungen nicht gerecht wird", führt Andreas Dietl von EDRi aus. Die gewählten biometrischen Verfahren hätten nach wie vor große Fehlerraten und ihre "sozialen Auswirkungen" seien noch überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden.
Auf Grund der gewählten RFID-Methode für das Auslesen der Chips bestünden zudem große Sicherheitsrisiken: Dietl warnt vor einer "Welle an Hightech-Identitätsdiebstählen". Gegen die Verwendung der Funkchips hatte sich kürzlich auch Lorenz Hilty von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt bei der Vorstellung eines RFID-Reports des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik ausgesprochen: Seiner Ansicht nach gibt es keinen Grund dafür, dass die Passinformationen auch ohne Wissen des Inhabers ausgelesen werden können. Es gebe "unheimliche Ängste" vor diesem Verfahren: "Es ist schließlich ein großer Unterschied, ob ich mich identifiziere oder ob ich identifiziert werde." (Stefan Krempl) / (jk)