Softwarepatente: Microsoft erwägt Abzug von Navision aus Dänemark [Update]
Bill Gates hat laut dänischen Medien bei seinem Besuch im November gegenüber Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen gesagt, sein Unternehmen könne seine Rechte in den USA besser schützen als in Europa.
Microsoft könnte sein Navision-Entwicklungszentrum aus Dänemark abziehen und in die USA verlegen. Das hat laut dänischen Medienberichten Microsoft-Gründer Bill Gates im November gegenüber dem dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen und anderen Ministern angedeutet. Gates sei unzufrieden mit dem Fortgang der politischen Entscheidungen zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" in der EU, insbesondere mit der erfolgreichen Blockade von Teilen der IT-Branche in Europa.
In den USA sei Microsoft besser in der Lage, seine Rechte zu schützen, wird Gates weiter zitiert. Daher müsse die Patentfrage geklärt werden. Microsoft hatte das dänische Softwarehaus Navision im Juli 2002 für knapp 1,5 Milliarden US-Dollar übernommen und gliederte den Spezialisten für Geschäftssoftware dem seinerzeit neuen Geschäftsbereich Microsoft Business Solutions ein. Nach einer Schließung des dänischen Entwicklungszentrums würden 800 Arbeitsplätze in die USA verlegt werden. Klaus Holse Andersen, europäischer Vizepräsident von Microsoft Business Solutions, erklärte allerdings, es habe bei dem Treffen zwar Diskussionen über Softwarepatente gegeben und Microsoft sei sehr für die Patengesetze; es bestünden in diesem Zusammenhang aber keine Pläne zur Schließung der dänischen Navision-Site.
In Dänemark haben vor allem die Sozialdemokraten und die Volkspartei Bedenken gegenüber der Ratsposition. Im Januar 2005 soll der dänische Außenminister Per Stig Møller bestätigt haben, dass auch durch sein Drängen bis zu den Parlamentswahlen in seinem Land, die am 8. Februar stattgefunden haben, im Rat ohne weitere Aussprache keine Softwarepatententscheidung fallen werde. Bei den Wahlen ging Rasmussens Mitte-rechts-Koalition als Sieger hervor.
Anders als zunächst geplant wird der EU-Rat seine umstrittene Position zur Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" nicht diese Woche absegnen. Stattdessen kommt eines der drei Ministertreffen in der kommenden Woche dafür in Frage, hieß es zuletzt aus Brüssel. Diverse Mittelstands-Verteter hatten sich gegen den Richtlinienentwurf oder für einen Neustart des politischen Verfahrens ausgesprochen, wie zum Beispiel die europäische Mittelstandsorganisation UEAPME oder der EU-Mittelstandsverband CEA-PME. Sie halten die Ratsposition für kleine und mittelständische Betriebe für schädlich.
Zum Thema Softwarepatente siehe auch: (anw)
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- Lobbykampf um Softwarepatente verschärft sich erneut
- Rechtsausschuss des Bundestags stimmt gegen Softwarepatente
- Zurück auf Start?, Die Europäische Union hat sich bei der Softwarepatent-Richtline festgefahren, c't 3/05, S. 76
- An den Grenzen der Technik, Technology Review 12/2004
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- Ein Interview mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Ministerialdirektor Elmar Hucko über Softwarepatente, Urheberrecht und geistiges Eigentum veröffentlichte c't in Ausgabe 16/2004: "Das Urheberrecht kennt kein Recht auf Privatkopie", c't 16/2004, S. 158
- Gefahr für den IT-Mittelstand, Die Softwarepatent-Richtlinie des EU-Rates erhitzt die Gemüter, c't 13/2004, S. 22
- Die Brüsseler Patentschlacht, Der Streit um EU-Softwarepatente in der vorletzten Runde, c't 12/2004, S. 60
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- Europaparlament gibt reinen Softwarepatenten einen Korb