LKW-Maut: Zoll oder Steuern?
Auch Großbritannien will ein System einführen, das eine nutzungsbezogene Abgabe für den Schwerlastverkehr ermöglicht. Noch kämpft man auf der Insel aber mit semantischen Problemen.
Wie am gestrigen Samstag gemeldet, wird auch Großbritannien ein System einführen, das eine nutzungsbezogene Abgabe für den Schwerlastverkehr ermöglicht. Das auf der Insel "Lorry-Road User Charge" (LRUC) genannte System befindet sich noch in der Planungsphase und kämpft mit semantischen Problemen. So ist es in der zuständigen Findungskommission noch umstritten, ob die Abgabe (user charge) als Maut (toll) oder als Steuer (tax) definiert werden kann.
Was sich banal anhört, kann technisch weit reichende Folgen haben: So legten Experten der mit Umweltschutzfragen befassten Ashurst Group am 24. Februar der Kommission ein Gutachten vor, das die hinter der Abgabe stehende Verordnung 1999/62/EU analysiert. Ausgehend von einem der EU vorgelegten Antrag der Tschechischen Republik, die Abgabe für das gesamte Straßennetz erheben zu können, kommen die Gutachter zum Schluss, dass eine Maut nur für das Autobahnnetz erhoben werden kann, während Steuern das gesamte Straßennetz abdecken. Außerdem stellen sie fest, dass Steuern auf die Benutzung des gesamten Straßennetzes nicht der EU-Verordnung zur Euro-Vignette widersprechen. Sollte sich die Ansicht dieser Gutachter in Großbritannien durchsetzen, würde ein Mautsystem eingeführt werden müssen, das ähnlich wie in der Schweiz die im Land gefahrenen Kilometer abrechnet.
Unabhängig von dieser Begriffsdefinition gehen in Großbritannien die Planungen für die LKW-Maut weiter voran. Nachdem Ende 2004 beschlossen worden war, das gesamte Maut-Projekt in drei Einzellose aufzuteilen (Mauterhebung, Maut-Enforcement und zentrale Netzdienste samt Rechenzentrum), wurden am 3. März die bevorzugten Bieter bekannt gegeben. Für die Mauterhebung wurden Serco, Siemens und T-Systems International nominiert. Technisch setzt Serco offenbar auf das System der Schweizer Firma Fela, Siemens auf das in Österreich entwickelte und in Seattle erprobte Maut-System, während T-Systems die Technik von Toll Collect anbietet.
Für das Enforcement wurden neben Serco das "TraCS Consortium" und die italienische "Autostrade" nominiert, die am Aufbau des österreichischen Maut-Systems beteiligt war. Für den Betrieb des zentralen Rechenzentrums qualifizierten sich die Capita Group, IBM und Siemens als bevorzugte Bieter. Der Zeitplan zur Einführung einer Maut in Großbritannien sieht vor, dass Ende 2005 die Verträge mit den siegreichen Bietern unterzeichnet werden, 2006 die Pilotprojekte durchgeführt werden und Anfang 2008 das Gesamtsystem die Arbeit aufnehmen kann.
Zur satellitengestĂĽtzten LKW-Maut in Deutschland siehe auch:
- Nun doch ein Vorzeigeprojekt -- Das LKW-Mautsystem soll zum Exportschlager werden, c't 2/05, S. 68
- Verursacherbedingt verspätet -- Das "fortschrittlichste Mautsystem der Welt" und die Realität, c't 22/03, S. 92
- Ausgebremste Automatik -- Das Kreuz mit der satellitengestützten Lkw-Maut, c't 21/2002, S. 60
- Vor 10 Jahren: Autobahnmaut mit GSM und GPS
- 10 Prozent des Verkehrsaufkommens werden kontrolliert
- Scharfe BrĂĽcken, schwaches System?
- Siemens experimentiert mit Maut in der Fläche
- Maut-Bericht bleibt geheim
- Infrarot arbeitet laut Herstellern zuverlässig
- Täglich bis zu 17.000 Beanstandungen
- Schröder: LKW-Mautsystem kann weltweiter Exportschlager werden
- Open-Source-Software zur Mautabschätzung
- Siemens entwickelt keine OBU-Software mehr
- Härtetest bestanden
- Ohne Guthaben, ohne OBU
- Kennzeichen-Auswertung im Huckepack?
- LandstraĂźen im Visier
- Der Start ist gelungen
- Zur Kasse bitte
- Ein Ticket fĂĽr Stolpe
- Sperrminorität gegen einheitliche EU-Maut erfolgreich
- Tanz um den Schadensersatz
- MĂĽnchner GrĂĽne wollen City-Maut mit RFID-Technologie
- FĂĽr PKW-Maut nur bedingt geeignet
- Stolpe kĂĽndigt Toll Collect
- LKW-Maut oder Maut fĂĽr alle
- Mautsystem in Ă–sterreich lief ohne Probleme an
- Die europäische Perspektive
(Detlef Borchers) / (pmz)