CFP: Lotus-GrĂĽnder Mitch Kapor im Clinch mit Hollywood
Der Preisträger des "Pionier Award" der Electronic Frontier Foundation sieht durch die unbewegliche Entertainment-Industrie die Innovationsfreiheit im Internet gefährdet.
Mitch Kapor, Gründer der legendären und längst von IBM geschluckten Computerfirma Lotus, sieht in den Geschäftspraktiken der Entertainment-Industrie eine der größten gegenwärtigen Gefahren für das Vorwärtskommen der vernetzten Hightech-Welt. "Wir müssen sicherstellen, dass Entwickler die Technologie weiter frei und innovativ zum Vorteil der Menschheit vorantreiben dürfen", erklärte der Erfinder der modernen Tabellenkalkulation am Mittwochabend bei der Entgegennahme des "Pionier Award" der in Kalifornien beheimateten Electronic Frontier Foundation (EFF) am Rande der Konferenz Computers, Freedom & Privacy (CFP) in Seattle. Ohne Hollywood und die Musikindustrie sowie deren juristischen Kampf gegen Tauschbörsenbetreiber vor dem obersten US-Gerichtshof direkt zu erwähnen, sprach er in diesem Zusammenhang von einer "Schlacht an einer Grenze mit Unternehmen, die denken, dass ihre Geschäftsmodelle absolut geschützt sein müssten". Ein derartiges Verhalten bürde der Gesellschaft insgesamt "unvorstellbare große Kosten" auf.
Sein Laudator, der frühe Sun-Mitarbeiter und Cyberrechtler John Gilmore, hatte bei der Preisverleihung im Science Fiction Museum der Westküstenstadt zuvor bereits das Copyright als "eines der größten Streitthemen" in der digitalen Welt ausgemacht. Kapor selbst, der die EFF vor 14 Jahren als Bürgerrechtsorganisation für den Cyberspace zunächst gemeinsam mit Gilmore und dem Grateful-Dead-Songschreiber John Perry Barlow ins Leben gerufen, sich dann aber von seinem Baby zurückgezogen hatte, stellte Vergleiche mit den Anfangszeiten der Lobbyvereinigung an. Damals hätten "ein paar Kinder sich in die damaligen vernetzten Computersysteme eingehackt", um sich einfach Zugang zum frühen Internet zu verschaffen. Das FBI habe dies aber als schwere Straftat angesehen und Gefängnisstrafen ins Spiel gebracht. "Das fanden wir wirklich verstörend", erläuterte Kapor, der mittlerweile auch die Open Source Applications Foundation gegründet hat. Schon damals sei völlig unverhältnismäßig auf neue technische Entwicklungen und ihre soziale Nutzung reagiert worden, weshalb sich die EFF der Aufklärung verschrieben habe.
Neben Kapor erhielten auch Patrick Ball, der die Mittel der Computerstatistik für den Erhalt der Menschenrechte einsetzt und beispielsweise bereits vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Aufklärung der Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien gegen den ehemaligen serbischen Präsidenten Milosevic ausgesagt hat, sowie der Computerwissenschaftler Ed Felten die EFF-Auszeichnung. Letzterer wäre ebenfalls bereits fast über zu enge Urheberrechtsregelungen gestolpert: Die Secure Digital Music Initiative (SDMI), eine frühe Industrievereinigung zur Einführung eines flächendeckenden digitalen Rechtekontrollmanagements, hatte ihn zunächst eingeladen, ihre angeblich "unknackbaren" Anti-Kopierschutzmechanismen zu überprüfen. Als er darin Löcher fand, wollte die SDMI ihn aber daran hindern, seine Ergebnisse zu veröffentlichen. Erst nach einer Gerichtsklage, in der die EFF Felten unterstützte, stand ihm dieser Weg offen.
Zum Urheberrechtsverfechter sei er geworden, berichtete der Professor in Seattle, nachdem er einen frühen Entwurf des Digital Millenium Copyright Acts, dem Vorbild für weltweite Regelungen zum rechtlichen Schutz technischer Kopierschutzmaßnahmen, gelesen hatte. "Ich habe festgestellt, dass damit meine Forschungsarbeit illegal werden würde", erinnerte sich Felten. So sei er rein zufällig in diesem rechtlichen Gebiet aktiv geworden.
Zur Konferenz Computers, Freedom & Privacy siehe auch:
- Vom kafkaesken Schwinden der Anonymität
- Bürgerrechtler erwarten "digitales Tschernobyl" bei Biometriepässen
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- Zivilgesellschaft startet Projekt gegen "Politikwäsche"
(Stefan Krempl) / (anw)