Softwarepatente: Noch alles offen vor der 2. Lesung der Richtlinie
Der EU-Rat sieht vorerst keine Chance für eine gemeinsame Linie mit dem Parlament, während sich Justizministerin Zypries aus dem Bundestag Kritik an ihren Empfehlungen anhören muss.
Der EU-Rat sieht vorerst keine Chance, sich im Streit über die geplante Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" bereits vor der 2. Lesung Anfang Juli auf eine gemeinsame Linie mit dem EU-Parlament zu einigen. Das geplante so genannte "Trilogverfahren", an dem auch Vertreter der EU-Kommission hätten teilnehmen sollen und mit dessen Hilfe die Direktive noch vor der Sommerpause hätte verabschiedet werden können, ist daher zunächst vom Tisch. Laut eines Briefs der niederländischen Regierung an die Abgeordneten in Den Haag sollen die Kontakte zwischen der Luxemburger Ratspräsidentschaft und den Berichterstattern im EU-Parlament zwar bestehen bleiben. Da auf einem Treffen des Ausschusses der Ständigen Vertretungen der EU-Mitgliedstaaten (Coreper) vergangene Woche allerdings der Koordinator für die Richtlinie im Abgeordnetenhaus, Michel Rocard, noch auf keine klare Meinungsbildung der Parlamentarier verweisen konnte, wolle man vorerst abwarten.
Gerade weil die nationalen Regierungsvertreter damit momentan keinen weiteren direkten Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Parlamentarier nehmen wollen, hat ein Schreiben von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries an sämtliche deutschen EU-Abgeordneten umso größeres Unverständnis ausgelöst. In dem Brief bekräftigt die SPD-Politikerin prinzipiell den nur mühselig formell bestätigten "Gemeinsamen Standpunkt" des Rates zu der umkämpften Richtlinie und greift nur zögernd Empfehlungen aus einem entgegengesetzten Bundestagsbeschluss auf. "Frau Zypries erkennt lediglich 'Optimierungsbedarf' in zwei Punkten. Dagegen liegen dem europäischen Parlament bereits 260 Änderungsanträge vor", ärgern sich der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer und Katja Husen aus dem Bundesvorstand des kleinen Koalitionspartners über die Linie im Justizministerium. "Wenn Patente auf Software in dem Umfang möglich werden, wie es der Rat vorsieht und wie es jetzt auch Frau Zypries will, werden viele kleine innovative Unternehmen in den Ruin getrieben und die Zukunft der deutschen und europäischen IT-Branche gefährdet", beklagen die Grünen. Sie fordern die Bundesregierung auf, die Haltung des Bundestags "endlich zum Maßstab ihrer Arbeit zu machen".
Auch in der Opposition stößt der Brief auf Kritik. Für Rainer Funke, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, dokumentiert Zypries "mit ihrem Verhalten in diesem wirtschafts- und ordnungspolitisch wichtigen Thema einmal mehr, wie wenig diese Bundesregierung vom Mehrheitswillen des Bundestages hält". Die EU-Abgeordneten ruft er auf, sich durch das Schreiben "nicht von ihrer bisherigen Haltung abbringen zu lassen". Günter Krings, Experte für Geistiges Eigentum der CDU/CSU-Fraktion, moniert zudem, dass in dem Brief "der Eindruck erweckt wird, die Rechtspraxis in Deutschland würde sich in dem Ratsrichtlinienentwurf wieder finden. Ohne die Aufnahme einer Technikdefinition gemäß Bundesgerichtshof ist das aber nicht der Fall". Der forschungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jörg Tauss, wandte sich in einer E-Mail ebenfalls besorgt an seine Parteikollegin.
Im Justizministerium ist man sich dagegen eines Faux Pas' nicht bewusst. In der Antwort auf eine Anfrage von Krings schreibt Staatssekretär Alfred Hartenbach, dass keiner der in Brüssel vom Parlament eingebrachten Änderungsanträge die vom Bundestag gestützte "Definition des Bundesgerichtshofes vollständig aufgreift". Einige würden zwar "Teile" davon enthalten, "darunter den Bezug auf die Naturkräfte". Dies führe aber zu "einer nicht gewollten und nicht praktikablen Verkürzung der bewährten Terminologie des Bundesgerichtshofes". Zudem berücksichtige man bei der Beratung der Änderungsvorschläge in Ratskreisen die Entschließung aus dem Bundestag, betont Hartenbach. Ein Protokoll einer entsprechenden Arbeitsgruppensitzung vom 27. Mai deckt diese Ansage für die Vergangenheit aber nur zum Teil. Lob erhält das Ministerium derweil von der Campaign for Creativity: Sie begrüßt ausdrücklich den Vorstoß von Zypries, für das Ratspapier zu werben.
Heftige Reaktionen hat zudem die aktuelle Lobbykampagne der Business Software Alliance (BSA) für die Ratslinie hervorgerufen, die unter anderem Unternehmer und Patentanwälte zur "authentischen" schriftlichen Unterstützung ihrer Politik bei Parlamentariern und Kommissionsmitgliedern bewegen will. Unter dem Aufhänger "das Imperium schlägt zurück" hat die ungarische Vereinigung der Internetnutzer Bilder von der vorgefertigten Postkarten-Initiative veröffentlicht. Sie moniert dabei die "Manipulation der Leser durch die Monopole". Patente in der Software-Industrie seien angesichts der zahlreichen bereits erteilten Trivialansprüche in Europa mit der "Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten von Beton, Holz, Backsteinen und Glas in der Bauwirtschaft" vergleichbar.
Zum Thema Softwarepatente siehe auch:
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(Stefan Krempl) / (anw)