Digitaler Behördenfunk: Motorola und T-Systems holen R&S Bick ins Boot
Mit Motorola und der Tochterfirma von Rohde und Schwarz geben zwei unabhängige TETRA-Hersteller gemeinsam ein Gebot für das bundesweite BOS-Netz ab.
Die in der Vergabeprozedur für einen gemeinsames digitales Funknetz für die deutschen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) seit geraumer Zeit verbündeten Firmen Motorola und T-Systems haben im laufenden Vergabeverfahren ein gemeinsames Angebot mit der Firma R&S Bick abgegeben. Dies geht aus einer Mitteilung von Motorola hervor – im Fall des Zuschlags an das Konsortium würde die deutsche Tochter des US-Telecomausrüsters, die in Berlin-Tegel TETRA-Netztechnologie für internationale Auftraggeber produziert, als Generalunternehmer auftreten.
Bemerkenswert ist, dass mit R&S Bick ein zweiter Hersteller von TETRA-Hardware ins Boot geholt wurde. Die im niedersächsischen Bad Münder beheimatete Tochterfirma von Rohde & Schwarz stellt im Gegensatz zu Motorola zwar keine TETRA-Endgeräte, jedoch Netzkomponenten, darunter transportable Basisstationen her. So nutzt die Polizei während der Castor-Transporte nach Gorleben in der Region seit 2001 Basisstationen von R&S Bick, da der analoge Polizeifunk mit einfachen Mitteln abgehört werden kann.
Im Vergabeverfahren des Bundesinnenministeriums könnte die auch für Branchenkenner überraschende Erweiterung der Motorola-Allianz zum Trio dessen Chancen auf den Zuschlag, der bis zum 30. Juni erwartet wird, deutlich erhöhen: Der öffentliche Betreiber könnte dann ein "Multi-vendor"-Netz mit Komponenten verschiedener Hersteller aufbauen und betreiben. Diese Vorgehensweise ist bei Betreibern kommerzieller Mobilfunknetze üblich, um die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten zu minimieren. Bei der Konzeption eines BOS-Netzes spielt neben finanziellen Aspekten auch die so genannte "Heimfallregelung" eine wichtige Rolle: Da das Netz auf zwei Jahrzehnten und mehr betriebsfähig sein soll, müssen Vorkehrungen für den Marktaustritt – respektive den Konkurs – eines Lieferanten getroffen werden.
Obwohl ETSI-konform, wird am Standard "TErrestrial Trunked RAdio" bislang kritisiert, dass eine herstellerübergreifende Interoperabilität nur für die Luftschnittstelle festgeschrieben wurde – ausgerechnet Motorola war vorgeworfen worden, die Entwicklung gemeinsamer Infrastruktur-Standards aus kommerziellen Gründen zu torpedieren. Nach anfänglichen Geburtswehen haben in Betrieb befindliche TETRA-Netze und auch das Aachener Pilotprojekt gezeigt, dass sich darin Endgeräte verschiedener Hersteller betreiben lassen. Ein zentrales Ergebnis eines TETRA-Versuchs im Dreiländereck zwischen Aachen, den Niederlanden und Belgien war die Forderung nach einem – bislang nicht verwirklichten – Inter-System-Interface (ISI), das den gemeinsamen Betrieb von Netzinfrastruktur verschiedener Hersteller erlauben würde. Bei bestehenden BOS-Funkinfrastrukturen wie die von Motorola errichteten Netze in Großbritannien oder den Niederlanden oder das von Nokia aufgebaute ASTRID-Netz in Belgien handelt es sich um Single-vendor-Netze; in der Praxis hatte sich bereits der Betrieb verschiedener Gerätegenerationen desselben Herstellers als schwierig erwiesen.
Erfahrungen mit TETRA-Funknetzen während Großereignissen schildert der Beitrag Digitalfunk-Netze unter Spitzenlast auf heise mobil.
Zur Ausstattung der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) mit Digitalfunktechnik siehe auch: (ssu)
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