3GSM: Die Branche beschwört den UMTS-Erfolg

Push-E-Mail und mobile Unterhaltung mit Musik, Videostreams und Fernsehempfang sollen den Absatz von 3G-Handys beflügeln. Microsoft schickt sich an, den Marktanteil von Windows Mobile hochzuschrauben.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Die Mobilfunkbranche macht Druck bei schneller Datenübertragung mit Musik und Fernsehen auf dem Handy, um die Milliardeninvestitionen in UMTS doch noch zu einem Erfolg zu bringen. Auf der Branchenmesse 3GSM World Congress in Barcelona stellen Handy-Hersteller, Ausrüster und Netzbetreiber Geräte und Dienste vor, die der dritten Mobilfunkgeneration endlich zum Durchbruch verhelfen sollen. Microsoft will zudem den Mobilfunkmarkt mit direktem E-Mail-Empfang auf dem Handy aufrollen.

Nach Einschätzung des Handy-Weltmarktführers Nokia könnten dieses Jahr 100 Millionen UMTS-Geräte verkauft werden. Damit wäre rund jedes zehnte Handy für die neue schnelle Mobilfunktechnik gerüstet. Derzeit sind nach Branchenschätzungen nur etwa drei Prozent der rund 2,2 Milliarden Handys Geräte der dritten Generation (3G). Die Industrie dürfte in den vergangenen Jahren mehr als 100 Milliarden Euro in den UMTS-Aufbau investiert haben. Neue Technologien wie die inzwischen auch mobil mögliche Internet-Telefonie (VoIP) und die Verbreitung von drahtlosen Internet-Zugängen mit WLAN-Technik stellen aber das gesamte Geschäftsmodell in Frage.

Als Schlüssel zum Durchbruch der neuen Mobilfunktechnik sieht die Branche Multimedia-Dienste wie Musik oder Fernsehen auf dem Handy. So startete der weltgrößte Mobilfunkanbieter Vodafone einen Radio-Dienst, der führende Netzwerkausrüster Ericsson kooperiert mit der Online-Musikplattform Napster, und die Handy-Hersteller Nokia und Sony Ericsson wollen bei Standards für den mobilen Fernsehempfang über DVB-H zusammenarbeiten.

Multimedia-Anwendungen wie Fernsehen auf dem Handy oder der Download von Filmen und Musikstücken seien die Zukunft des Mobilfunks, betonte Nokia-Chef Jorma Ollila. "Wir befinden uns erst in einer frühen Phase der Entwicklung." Besonders wichtig für den Erfolg sei die in am Start stehende UMTS-Variante HSDPA, die Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 3,6 Megabit pro Sekunde. Normales UMTS schafft derzeit eine maximale Datenrate von 384 Kilobit pro Sekunde. "Die meisten UMTS-Netze werde im Laufe des Jahres mit HSDPA ausgerüstet werden", prognostizierte der Ericsson-Chef Carl-Henric Svanberg.

Nokia strebt für dieses Jahr bei UMTS-Handys einen Marktanteil von 40 Prozent an, sagte Konzernchef Jorma Ollila. Insgesamt werde der Mobilfunkmarkt dieses Jahr wieder um rund ein Fünftel zulegen. 2005 wurden nach Nokia-Schätzungen 795 Millionen Mobiltelefone verkauft, ein Plus von 24 Prozent. Nokia baute den Marktanteil zwar um 2,7 Punkte auf 32,1 Prozent aus. Allerdings griffen die Nutzer dabei verstärkt zu günstigeren Nokia-Handys, was die Gewinne des Marktführers drückte.

Nokia will auch von neuen Entwicklungen jenseits des klassischen Mobilfunks profitieren. Das neue Modell 6136 kann einerseits über WLAN eine Verbindung zum Internet herstellen, so dass beispielsweise Telefongespräche kostengünstig übers Internet geführt werden können. Bei Verlassen des WLAN-Hotspots klinkt sich das Gerät automatisch ins Mobilfunknetz ein.

Microsoft steht unterdessen bereit, den direkten Empfang von E-Mails auf dem Handy – derzeit ein Nischenmarkt – auf breiter Front möglich zu machen. In Barcelona stellt der weltgrößte Softwarehersteller gemeinsam mit Netzbetreibern und Handy-Produzenten die ersten Geräte mit dem neuen Betriebssystem Windows Mobile 5 vor. Die so genannte Push-Funktion, bei der E-Mails direkt auf mobile Geräte durchgeleitet werden, hat bereits zum Beispiel den BlackBerry des Herstellers RIM populär gemacht. Microsoft betont jedoch, dass Handys mit seinem Betriebssystems besonders leicht in die bestehende Outlook- und Exchange-Infrastruktur eingebunden werden können.

Das neue Windows Mobile umfasst auch einen Media Player zum Abspielen von Musik und Videos, eine mobile Version der Präsentationssoftware Powerpoint und ein Programm zur Textverarbeitung. Microsoft setzt große Hoffnungen auf den Mobilfunkmarkt und Geräte mit Multimediafunktionen.

Smartphones machten zuletzt zwar erst etwa sechs Prozent des Marktes aus, sind jedoch auf dem Vormarsch. Schätzungen zufolge könnten 2008 bereits 200 Millionen Smartphones verkauft werden. Nach jüngsten Schätzungen des Marktforschers TDG könnte Windows Mobile bis 2010 die Führung bei Smartphone-Betriebssystemen mit einem Anteil von 29 Prozent übernehmen. Derzeit wird das unter anderem von Nokia benutzte Betriebssystem Symbian mit 51 Prozent Marktanteil als klarer Spitzenreiter gesehen, gefolgt von Linux mit 23 Prozent. Auf Windows Mobile entfallen demnach 17 Prozent. Der Marktforscher IDC dagegen sieht Symbian auch in absehbarer Zukunft dominierend mit bis zu 60 Prozent Marktanteil im Jahr 2009. Die BlackBerry OS von RIM und Palm liegen derzeit im einstelligen Prozent-Bereich. (dpa)

Zum 3GSM World Congress 2006 siehe auch: