Scharfe Kritik an geplanter Ausweitung der Anti-Terrorgesetze
Bürgerrechtler lehnen die von der Großen Koalition gewünschte Verlängerung und Ausdehnung der Überwachungsbefugnisse zur Terrorismusbekämpfung als verfassungswidrig ab, doch das Bundeskabinett will den Entwurf abnicken.
Bürgerrechtler lehnen die von der Großen Koalition vorangetriebene Verlängerung und Ausdehnung der Überwachungsbefugnisse zur Terrorismusbekämpfung als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ab. Insbesondere die geplanten weiteren Vollmachten für Geheimdienste bezeichnete Fredrik Roggan, stellvertretender Bundesvorsitzender der Humanistischen Union (HU), als "klar verfassungswidrig". Dem Gesetzesentwurf (PDF-Datei) würde in diesem Bereich "die notwendige Normenklarheit und Normbestimmtheit fehlen".
Zuvor hatte schon der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar befürchtet, dass mit der Vorlage das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten weiter aufgeweicht werde. Das Bundeskabinett will trotz der anhaltenden Kritik den Entwurf für das so genannte "Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz" bereits in seiner Sitzung am morgigen Mittwoch verabschieden. Das Vorhaben könnte dann rasch den Bundestag passieren, da sich Fraktionsexperten von CDU/CSU und SPD bereits vorab auf die Eckpunkte des Gesetzes geeinigt haben.
"Mit Terrorismusbekämpfung – und das in einem rechtsstaatlichen Sinne – haben die Befugnisse nichts mehr zu tun", versucht Roggan dagegen zu halten. Die geplanten neuen Auskunftsmöglichkeiten der Geheimdienste zur Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Inland eröffnen seiner Ansicht nach "einer unkontrollierbaren Schnüffelpraxis Tür und Tor". Der Aufhänger "Anti-Terror" werde immer mehr "zum Vorgehen gegen vermeintliche Verfassungsfeinde jeglicher Couleur ohne klar umrissenen Tatbestand herangezogen". Generell sei das Bestreben der Regierungsfraktionen eine "Ohrfeige für die Bemühungen der Opposition um Aufklärung schwerer Grundrechtseingriffe durch Geheimdienste".
Weiter moniert der HU-Vertreter, dass Schwarz-Rot zwar die Entscheidung aus Karlsruhe über die Verfassungsbeschwerde gegen die Kontostammdaten-Auskunft abwarten will, nicht jedoch die beim Bundesverfassungsgericht ebenfalls anhängige Beschwerde der HU gegen den Einsatz des IMSI-Catchers zur Überwachung des Mobilfunkverkehrs in Strafverfahren. Die umstrittenen Geräte werden von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten eingesetzt und funktionieren gegenüber Handys wie die Funkstelle oder Basisstation eines Mobilfunknetzes. Handys innerhalb einer bestimmten Reichweite buchen sich in den IMSI-Catcher ein. Behörden haben so die Möglichkeit, ein Gerät zu identifizieren, zu orten und Gespräche abzuhören.
Als geradezu unseriös bezeichnet Roggan die Tatsache, dass die bisherigen Anti-Terrorgesetze bislang nicht wirklich überprüft wurden. Die als "Bericht zu den Auswirkungen des Terrorismusbekämpfungsgesetzes" bekannt gewordene Zusammenfassung der Bundesregierung zur bisherigen Anwendungspraxis erfüllt ihm zufolge "nicht einmal ansatzweise die Erfordernisse einer Evaluation, die diesen Namen auch verdient". Überdies sei der Bericht noch nicht vom Bundestag beraten worden.
Auch die Grünen im Bundestag halten eine methodisch fundierte Aus- und Bewertung von Erkenntnissen der vergangenen eineinhalb Jahre zum Gebrauch der gesetzlich verbrieften Möglichkeiten zur Terrorismusbekämpfung "unabdingbar für ein seriöses Gesetzgebungsvorhaben". Sie beklagen in einem Antrag (PDF-Datei), dass bislang etwa Informationen über die Streubreite beim Einsatz von IMSI-Catchern fehlen. So sei etwa unklar, in welchem Umfang bei solchen Überprüfungen Personen abgehört werden, die gar nicht Ziel einer Überwachungsmaßnahme sind.
In einem weiteren Antrag (PDF-Datei) machen sich die Grünen für die weitere Befristung der Anti-Terrorregelungen sowie eine bessere Aufrechterhaltung der Trennung von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten stark. Zum Rechtsschutz von Betroffenen soll demnach gemeinsam mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten ein Konzept für moderneres Dokumentenmanagement zur Vernichtung, Löschung und Sperrung von Akten erarbeitet werden. Darüber hinaus müssten die Möglichkeiten einer gerichtlichen Kontrolle der Sanktionen gegen Betroffene verbessert werden. (Stefan Krempl) / (jk)