Bertelsmann-Chef sieht Internet-Branche "wieder mitten in einer Preisblase"
Gunter Thielen kritisiert die Preisentwicklung bei Ăśbernahmen von Internet-Unternehmen. Die Zukunft seines Konzerns laste derzeit und kĂĽnftig am meisten auf den Schultern der RTL Group, sagte er in einem Interview.
Die jüngsten Übernahmen in der Internet-Branche geben dem Vorstandschef des Medienkonzerns Bertelsmann zu denken. "Wir stecken schon wieder mitten in einer Preisblase", sagt Gunter Thielen in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit für die morgige Ausgabe. Sein Konzern habe in den vergangenen Tagen ein Unternehmen zum Kauf angeboten bekommen, das "einigen Zulauf, aber praktisch keine Umsätze" vorweisen konnte. Trotzdem hätten die Gründer "etwa 100 Millionen Euro" verlangt. Bertelsmann habe verzichtet. Stattdessen sollen Bereiche eigene Start-ups gründen und nicht fertige Unternehmen kaufen. Beispielsweise habe die TV-Produktionsfirma Ufa die erste Krimiserie fürs Handy fertig.
Bertelsmann macht laut Thielen derzeit im Web einen Umsatz von einer Milliarde Euro jährlich mit dem Verkauf von Büchern, CDs und DVDs sowie mit Einnahmen aus Online-Werbung, die 25 Prozent ausmachen. Jährlich nehme die Werbung im Netz um 50 Prozent zu. Der größte Gewinnbringer sei aber die RTL Group. Sie werde es die nächsten zehn Jahre "sicher bleiben", glaubt Thielen. Gleichzeitig sei der technische Wandel im Zuge der Digitalisierung immens. Wenn hunderte neuer Sender entstünden, müsse man das mitgestalten. "Insofern wird ein beträchtlicher Teil unserer Investitionen bis auf weiteres in das Fernsehen gehen."
Thielen räumt ein, bei Computerspielen eine Chance verpasst und zu früh aufgegeben zu haben. Vor zehn Jahren sei die Entwicklung bei der Bertelsmann Music Group betrieben worden. Als das Unternehmen 100 Millionen Dollar verloren habe, sei es ausgestiegen. Viele Bertelsmann-Entwickler seien nun bei Electronic Arts beschäftigt. Das Internet spiele eine große Rolle, da Bertlesmann wisse, "dass die Menschen mit dem Schwinden ihrer familiären Bindung neue Gemeinschaften suchen, vor allem im Internet. Da müssen wir dabei sein".
Im Gegensatz zu Bertelsmann setzen Unternehmen wie die US-Konzerne News Corp. und Google im Internet auf Expansion durch Übernahmen. So ging der Betreiber des Social Network MySpace.com vor gut einem Jahr für knapp 500 Millionen Euro an die News Corp., jüngst erregte die Übernahme des Online-Video-Dienstes YouTube für 1,3 Milliarden Euro durch Google Aufsehen. Bertelsmann war im Jahr 2002 beispielsweise durch die Übernahme von Napster für vergleichsweise günstige 8,75 Millionen Euro ähnlich tätig. Eine Beziehung, die dem deutschen Medienunternehmen im Grunde nur Ärger einbrachte. Napster wurde so wie der Buchhändler BOL aufgegeben. Anfang 2003 beteuerte Thielen, das Internet habe als eigenes Geschäft keine Bedeutung. (anw)