Statt "Killerspiele"-Verbot: Datei für jugendliche Gewalttäter gefordert
Im anhaltenden, aufgeregten Streit um die Verhinderung weiterer Amokläufe junger Menschen hat der Hamburger Innensenator Udo Nagel die Einrichtung einer Datenbank für gewalttätige Heranwachsende vorgeschlagen.
Von
Im aufgeregten Streit um Möglichkeiten zur Verhinderung weiterer Amokläufe junger Menschen nach der Bluttat in Emsdetten hat der Hamburger Innensenator Udo Nagel die Einrichtung einer Datenbank für gewalttätige Heranwachsende vorgeschlagen. Der parteilose Politiker sprach sich gegenüber der Zeitung Die Welt dafür aus, eine Datei für jugendliche Gewalttäter bei den Sicherheitsbehörden anzulegen, "um zielgerichtet polizeiliche Maßnahmen durchführen zu können". Als Vorbild könne die "Gewalttäterdatei Sport", die bisher beim Im-Zaum-Halten von Hooligans "ja ganz gut funktioniert".
Von dem vielfach geforderten Verbot von "Killerspielen" hält Nagel dagegen wenig. Ein solcher Versuch sei in Griechenland schon einmal gescheitert. "Zunächst sind hier auch erst einmal die Eltern gefragt, zu wissen, was in ihren Kinderzimmern los ist", erinnerte er Väter und Mütter an ihren Erziehungsauftrag. Sie müssten kontrollieren, ob ihr Nachwuchs Gewaltdarstellungen in den Medien konsumiere.
Nagel ist der Leiter eine Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz (IMK) zum Thema Jugendkriminalität. Diese will in naher Zukunft erste Ergebnisse ihrer Untersuchungen präsentieren. Der Innensenator zeigte sich besorgt, dass der Trend bei der Gewaltbereitschaft von Jugendlichen "deutschlandweit nach oben" zeige. "1993 gab es in der Bundesrepublik 160.680 Fälle von Gewalttaten, 2005 waren es 212.832, das ist ein Anstieg um 32,5 Prozent", rechnete Nagel vor. In der gleichen Zeit habe sich Zahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahren von rund 44.000 auf 88.000 verdoppelt. Es greife dabei zu kurz, die Lösungssuche auf Gewalt verherrlichende Computerspiele oder andere vergleichbare Mediengattungen zu verengen: "Es geht um die ganz alltägliche Gewalt unter Jugendlichen, und zwar vor allem um die Körperverletzungen."
Die Debatte um ein "Killerspiele"-Verbot geht derweil eifrig weiter. Bundeskanzlerin Angel Merkel konstatierte Gemeinsamkeiten zwischen Amokläufern an Schulen, da diese privat häufig "gewalttätige Computerspiele" wie Counterstrike gespielt hätten. Patentlösungen gegen Gewaltausbrüche in der physischen Welt gebe es aber nicht. Die CDU-Politikerin erinnerte daran, dass bei der jüngsten Reform des Jugendschutzes nach dem Erfurter Attentat die Befugnisse der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften erweitert wurden. Der Zugang Jugendlicher zu Medien mit gewalttätigem Inhalt sei durch das neue Jugendschutzgesetz und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder wesentlich erschwert worden. Bisher prüfe die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) die gesetzlich vorgeschriebenen Altersfreigaben für Computerspiele. Jetzt gelte es, "Bedingungen zu finden, die diese Selbstkontrolle verbessern". Merkel erwähnte nicht, dass staatliche Stellen schon heute bei der Erstellung der Alterskennzeichnungen mit beteiligt sind.
Der Kriminologe Christian Pfeiffer, der bereits seit längerem ein rigides Vorgehen gegen wilde Ballereien am PC befürwortet, hat ebenfalls eine Reform der viel beschworenen und gelobten Co-Regulierung im Bereich der Spiele-Industrie gefordert. Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen bemängelte gegenüber der taz, dass die Gutachter der USK oft nur ausgewählte Szenen neuer Spiele zu Gesicht bekämen. Sie urteilten somit über Dinge, die ihnen nur oberflächlich bekannt seien. Benötigt werde "eine klare Orientierung, ab welcher Grenze Action- und Kampfspiele nicht mehr für den Markt zugelassen werden."
Niedersachsens FDP-Vorsitzender Philipp Rösler bezweifelte unterdessen, "ob sich durch generelle Verbote einzelne Verbrechen verhindern lassen". Die vom niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) angekündigte Bundesratsinitiative greife zu kurz. Um langfristige Erfolge zu erzielen, müsse vor allem die Medienkompetenz von Eltern, Lehrern und Schülern verbessert werden. Auch laut dem Vorsitzenden der niedersächsischen Landesmedienanstalt, Thomas Koch, kann ein Verbot brutaler Games "nicht das alleinige Mittel sein, um dem aus diesen Spielen resultierenden Gefahrenpotenzial zu begegnen". Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann beklagte die zunehmende Isolation in der Gesellschaft und rief die Bevölkerung zu mehr Achtsamkeit auf. Sie fordert mehr Geld für die Kirchen, damit sie etwa in Jugendwerkstätten gegen die Vereinsamung von Menschen ankämpfen könnten.
Siehe zu dem Thema auch: