Musikindustrie pocht weiter auf Eingrenzung der Privatkopie
Bei einem Treffen mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann haben führende Vertreter der Musikwirtschaft erneut Verschärfungen beim Urheberrecht gefordert, während eine EU-Studie die Politik nicht unter Zugzwang sieht.
Bei einem Treffen mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann haben führende Vertreter der Musikwirtschaft am gestrigen Mittwoch erneut Verschärfungen beim Urheberrecht gefordert. "Das Urheberrecht muss endlich im digitalen Zeitalter ankommen", forderte Michael Haentjes, Vorstandsvorsitzender der deutschen Phonoverbände nach der Zusammenkunft. Darunter versteht die Musikindustrie vor allem, dass im Rahmen der zweiten Stufe der Urheberrechtsnovelle die Privatkopie weiter eingegrenzt werden soll. Die großen Plattenfirmen wollen erreichen, dass Kopien nur noch vom eigenen Original und nicht durch Dritte erlaubt werden. Außerdem soll so genannte intelligente Aufnahmesoftware für die gezielte Aufnahme einzelner Titel aus Internetradios verboten werden. Ferner fordert die Musikwirtschaft ein exklusives Senderecht. Ebenso wie Filmhersteller sollten ihrer Ansicht nach Künstler und Tonträgerhersteller endlich entscheiden können, wann und wo ihre Musik gespielt wird.
Laut IFPI besteht ein krasses Missverhältnis zwischen dem rechtmäßigen Erwerb digitaler Songs und unerlaubten Vervielfältigungen. "Die Zahl der kopierten CDs ist mit über 439 Millionen Stück rund viermal höher als die der verkauften Musik", monierte Haentjes. Die Zahl der illegal heruntergeladenen Songs sei mit 412 Millionen in 2005 sogar 20-mal höher gewesen. Diese nicht näher erläuterten Berechnungen der Musikindustrie würden zeigen, dass es in Deutschland "kaum Bewusstsein für den Schutz geistigen Eigentums" gebe. Es sei aber der falsche Weg, dass die Gesetzgebung vor der digitalen Entwicklung kapituliere.
Neumann selbst äußerte sich nicht zu den Wünschen der Plattenverkäufer, nachdem er sich auf dem Neujahrstreffen im vergangenen Jahr noch vehement für den Fall der so genannten Bagatellklausel zur strafrechtlichen Freistellung des Naschens an Tauschbörsen eingesetzt hatte. Der CDU-Politiker stellte den Branchenvertretern stattdessen ein neues Projekt zur Förderung von Pop-, Rock- und Jazzmusik vor. Unter dem Titel "Initiative: Musik" setzt das Vorhaben auf die drei Schwerpunkte Nachwuchs, Export sowie kulturelle Integration und ist als beispielhafte Public-Private-Partnership von Musikwirtschaft und Kulturpolitik angelegt. Dafür sind im Haushalt des Kulturstaatsministers in diesem Jahr eine Million Euro eingestellt.
Eine vor Kurzem veröffentlichte, von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie (PDF-Datei) rät zur Umgestaltung des Urheberrechts und benachbarter Rechte für die Wissensgesellschaft des Instituts für Informationsrecht der Universität Amsterdam. Demnach kann von einem fehlenden Bewusstsein bei den Verbrauchern für Urheberrechtsfragen nicht die Rede sein. Verschiedene Entwicklungen wie das Aufkommen von Online-Geschäften mit Inhalten, die mit Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) versehen sind, lebhafte Debatten über Gesetzesvorhaben wie die Novelle des Urheberrechts in Frankreich oder Kampagnen der Rechtehalter hätten das allgemeine Wissen über Kopierregeln deutlich erhöht.
Allerdings sei dies nicht verbunden mit einer undifferenzierten Akzeptanz des Urheberrechts in der Bevölkerung, halten die Autoren der umfangreichen Analyse weiter fest. Vielmehr würden häufig die Vor- und Nachteile des Herunterladens geschützter Werke aus Tauschbörsen mit dem legalen Kauf entsprechender Kopien im Einzelfall abgewogen. "Wenn ein kommerzieller Inhalteanbieter einem Verbraucher einen 'schlechten Handel' offeriert, also die Verfügbarkeit eingrenzt oder hohe Preise oder restriktive Nutzungsbedienungen (zum Beispiel bei der Übertragbarkeit) festsetzt, dann wird es der Konsument nicht unethisch finden, dem das Filesharing via P2P vorzuziehen", heißt es in der Studie. Politiker und EU-Einrichtungen könnten gleichzeitig wenig dabei helfen, das Verhalten der Bürger mit den Urheberrechtsgesetzen in Einklang zu bringen. Die Gesetzgeber sollten demnach von Vornherein darauf achten, dass auch die Verbraucherinteressen bei der Neugestaltung des Urheberrechts angemessen berücksichtigt und so die entsprechenden Gesetze besser akzeptiert werden.
Mehr Zurückhaltung fordert die Untersuchung zudem bei den Bemühungen der EU-Kommission zur Vereinheitlichung der Rechte für Online-Lizenzierungen von Musikstücken. Es sei unumgänglich, dass die Verkäufer hier zunächst eine Vielzahl von Lizenzen einholen müssten. Brüssel sollte sich darauf beschränken, allen Seiten zur Einrichtung von "One-Stop"-Shops zur einfacheren Rechteabklärung zuzureden. Strikt wendet sich die Studie ferner gegen die von der Musikindustrie geforderte EU-weite Ausdehnung der Urheberrechtsschutzfrist für einzelne Songs auf 95 Jahre. Momentan liegt sie in Mitgliedsstaaten wie Großbritannien bei 50 Jahren. Schon vor der Veröffentlichung der Analyse hatte der Studienleiter, Bernt Hugenholtz, die EU-Urheberrechtspolitik scharf kritisiert. Bislang sei immer nur die Schutzrechtschraube hochgedreht worden, was immense Umsetzungskosten für die Mitgliedsstaaten ohne echte Harmonisierung des Urheberrechts mit sich gebracht habe.
Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den GesetzesentwĂĽrfen und -texten):
(Stefan Krempl) / (anw)