T-Systems will mit VoIP und "Service aus der Steckdose" wachsen
Die Telekom-Tochter startet im Sommer die Migration aller Netze des Mutterhauses auf das Internetprotokoll und setzt auf die Vermietung von Soft- und Hardware, Rechenleistung, Datenspeicher und TK-Leistungen.
Die Deutsche Telekom macht Ernst mit der viel beschworenen IP-Revolution: Ihre Tochter T-Systems soll vom Sommer an sämtliche Netze des Rosa Riesen Zug um Zug auf IP/Ethernet migrieren. "Für T-Systems bedeutet das: Wir entwickeln uns zu einem All IP Provider", erklärte Konzernvorstand Lothar Pauly am heutigen Dienstag auf dem Internationalen Pressekolloquium der Telekom in Berlin. Das Projekt verfolge das Ziel, Geschäftskunden bis etwa 2012 alle netzbasierten Dienste effizient und hoch flexibel bereitzustellen. Als ersten großen Kunden nannte Pauly den Allianz-Konzern. Die Versicherungsgesellschaft habe T-Systems im Rahmen eines 50-Millionen-Euro-Vertrages beauftragt, ein einheitliches IP-Netz für Daten und Sprache in Osteuropa aufzubauen und zu betreiben.
Die Telekom selbst hat sich Pauly zufolge das ambitionierte Ziel gesetzt, mit Hilfe von T-Systems und der kompletten IP-Ausrichtung bis zum Jahr 2010 rund eine Milliarde Euro zu sparen. Erreicht werden soll dies hauptsächlich durch die Konsolidierung der IT-Landschaften und die Standardisierung von Hard- sowie Software hin zu einer einheitlichen IT-Architektur. Allein über Effizienzsteigerungen wolle die T-Systems dabei 500 Millionen Euro hereinholen, die Auswirkungen auf den Personalbereich etwa könne er nicht beziffern.
Einen weiteren großen Wachstumsbereich sieht T-Systems in "Dynamic Services". Darunter versteht das Systemhaus das Vermieten von Soft- und Hardware, Rechenleistung, Datenspeicherplatz sowie Telekommmunikationsleistungen direkt aus dem Netz. Dieser "Service aus der Steckdose" sei momentan für Mainframe, SAP und Lotus Notes verfügbar, erläuterte Ulrich Kemp, bei T-Systems für das Geschäft mit großen und mittelständischen Kunden verantwortlich. Die Service-Abnehmer müssten damit nicht mehr selbst die "maximale IT" verfügbar halten. Vielmehr erfolge eine tages- oder stundengenaue Abrechnung nach Verbrauch. Dabei sei sogar das Abmieten von einzelnen Diensten möglich. Erste Erfahrungen aus dem Eigenbereich hätten gezeigt, dass sich auf diese Weise die operativen Kosten zwischen 20 und 30 Prozent senken lassen. Als Vorzeigekunden in diesem Sektor verweist T-Systems auf die Porzellanmanufaktur Rosenthal, die über ein Hochgeschwindigkeitsnetz auf IP-Basis SAP-Leistungen aus dem Rechenzentrum des Konzerns beziehe.
Auf der Erfolgsstraße sieht sich die Telekom-Tochter generell wegen der wachsenden Nachfrage nach nahtlos integrierten Lösungen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie unter dem Stichwort "Real ICT". Schließlich seien bei der Telekom von Haus aus IT und TK unter einem Dach, freute sich Pauly. Man habe einerseits das Netz, um Sprache und Daten zu übertragen, sowie andererseits die IT-Erfahrung und die IT-Ressourcen, um Lösungen zu entwickeln und Applikationen bereitzustellen. Als konkretes Beispiel brachte Kemp die Umrüstung des zweitgrößten Ausstatters von Hotel-Entertainment-Systemen mit einer elektronischen Distributionslösung. Dabei würden rund 1800 Hotels per Satellit über einen zentralen Multimedia-Server mit Videos versorgt. Andere Wettbewerber wie BT, IBM oder EDS müssten dagegen entweder IT oder TK dazukaufen. Pauly ist sich daher sicher, dass "wir bis 2010 europäischer Marktführer für ICT-Dienstleistungen werden". Die Umsatzanteile will die Firma mit "echten" Konvergenzlösungen von fünf Prozent in diesem Jahr auf 25 Prozent bis 2010 hochschrauben.
Insgesamt sieht das T-Systems-Management im Ausland gute Wachstumschancen. Hier macht das Systemhaus momentan laut Axel Knobe, der das Geschäft mit multinationalen Konzernen betreut, rund 16 Prozent seines Umsatzes. Dieser Anteil solle bis 2010 verdoppelt werden. Einen Schub konnte T-Systems im internationalen Sektor vor allem in der Automobil-Sparte durch den Aufkauf der Volkswagen-Tochter gedas verzeichnen. Hier habe man mit VW zusätzlich zu bestehenden Rahmenverträgen einen weiteren über 80 Millionen Euro im Bereich Forschung & Entwicklung abschließen können, freute sich Pauly. Zusätzlich sei eine Absichtserklärung über den Aufbau eines "Next Generation Network" abgeschlossen worden. Gute Chancen rechnet sich T-Systems gemäß Knobe ferner mit der internationalen Vermarktung von Mautlösungen aus, wo sich der Anbieter hierzulande im Verbund mit Toll Collect als Vorreiter sieht. Es gebe viele Anfragen in diesem Sektor etwa aus Osteuropa, Großbritannien oder Asien, berichtete Knobe. Es handle sich aber um ein langatmiges Geschäft, sodass nach wie vor keine konkreten Abschlüsse zu vermelden seien.
Gute Geschäfte erwartet Kemp ferner bei Abrechnungssystemen für den öffentlichen Nahverkehr, wo Verhandlungen mit allen großen Nahverkehrsunternehmen laufen würden. Dabei gehe es darum, das Ticket ins Handy zu integrieren und die Verkaufsautomaten so verschwinden zu lassen. Diese würden bei den Verkehrsanbietern 30 Prozent der Einnahmen auffressen. Bei RFID-Funkchips braucht die Entwicklung nach Kemps Einschätzung dagegen noch zwei bis drei Jahre bis zum "totalen Durchbruch". Nichts Neues zu erfahren war auf dem Kolloquium über anstehende Portfoliobereinigungen bei der Telekom und einem möglichen Verkauf der Sparte "Media & Broadcast". Alle Bereiche würden geprüft, ob sie zu den Kernbestandteilen der Firma zählen, sagte Pauly nur. Strategische Aussagen zur weiteren Ausrichtung seien erst im Frühjahr zu erwarten. (Stefan Krempl) / (pmz)