NRW-Datenschutzbeauftragte warnt vor Maßlosigkeit bei Überwachung
Neben der Vorratsdatenspeicherung und dem Verfassungsschutzgesetz, dass Online-Durchsuchung erlaubt, nahm Bettina Sokol auch noch einmal den Ticketverkauf und die Auswahl der Helfer bei der Fußball-WM 2006 ins Visier.
Nordrhein-Westfalens Datenschutzbeauftragte Bettina Sokol hat dem Staat "Maßlosigkeit" bei der Überwachung von Bürgern und der Sammlung von Daten vorgeworfen. Seit Jahren sei ein "überzogenes Präventionsdenken" sowohl beim Überwachen von Telefonen und Computern als auch bei der Speicherung von Daten, etwa in DNA-Dateien, zu beklagen, sagte Sokol bei der Vorlage ihres Jahresberichts (PDF-Datei) in Düsseldorf.
Positiv hob die Landesbeauftragte hervor, dass NRW eine bundeseinheitliche Schul-Statistik mit zentraler Registrierung aller Schüler gestoppt habe. Sie betonte, dass die Video-Überwachung in den Klassenzimmern verboten bleibe. Bislang gebe es "noch nicht allzu viel" Video-Überwachung an den Schulen des Landes. Infrage komme eine solche Maßnahme allenfalls, um Klassenzimmer und Schulhöfe außerhalb der Unterrichtszeiten vor Vandalismus zu schützen, erklärte die oberste Datenschützerin des Landes.
Als unverhältnismäßig kritisierte Sokol die von der Bundesregierung geplante vorsorgliche Speicherung von Telefon- und E-Mail-Verbindungsdaten. Ein entsprechender Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) setzt eine EU-Richtlinie um. Dagegen protestieren Medienschaffende, Wirtschaftsverbände, Datenschützer und Juristen. Sokol empfahl der Bundesregierung, ein vor dem Europäischen Gerichtshof anhängiges Verfahren gegen diese Regelung abzuwarten. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der hierzulande den zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die pauschale Überwachungsmaßnahme koordiniert, hatte gestern bekannt gegeben, dass es bereits mehr als 10.000 erfolgte Anmeldungen für die Beteiligung an einer "Massenverfassungsbeschwerde" gegen die "Totalprotokollierung der Telekommunikation der gesamten Bevölkerung" gebe.
Bedenken äußerte Sokol auch gegen die im vergangenen Dezember verabschiedete Novelle des Verfassungsschutzgesetzes NRW. Demnach dürfen Verfassungsschützer unter bestimmten Voraussetzungen heimlich Computer ausspionieren. "Dabei kann der Verfassungsschutz aber auf intimste Daten stoßen", kritisierte Sokol. Dies sei ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und verletze den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung.
Auch die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nahm Sokol noch einmal ins Visier und zeigte den Organisatoren "die gelbe Karte" für den Ticketverkauf und die Auswahl der Helfer. "Das Verfahren zur Überprüfung der Helfer geriet zu einem glatten Eigentor", bilanzierte Sokol. Rund 150.000 Kräfte – vom Ordnungs- und Sicherheitsdienst bis hin zum Reinigungs-, Service- und Gastronomie- Personal – mussten eine aufwendige Überprüfung durch Polizei und Verfassungsschutz über sich ergehen lassen. "Die rechtlich fragwürdige Mitwirkung von Polizei und Nachrichtendiensten an den Zuverlässigkeitsprüfungen eines privaten Veranstalters muss ein einmaliger Vorgang bleiben", mahnte Sokol. Dies gelte auch für die "aufwendige und übermäßige Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Vergabe der Eintrittskarten". Der "vorgebliche Sicherheitsgewinn" rechtfertige die Massenregistrierung nicht. "Es muss weiter möglich bleiben, Großveranstaltungen wie Fußballspiele ohne Identifizierungszwang zu besuchen." (dpa) / (jk)