re:publica: Blogger zwischen Kommerz und Underground
In Deutschland gibt es seit kurzem ein Werbenetzwerk für Weblogs nach US-Vorbild, das in der Blogosphäre heftig umstritten ist. Was den einen als legitime Geldeinnahmequelle erscheint, kommt anderen als Ausverkauf vor.
In Deutschland gibt es seit Montag ein Werbenetzwerk für Weblogs in Anlehnung an US-Vorbilder wie Adblogs, das in der hiesigen Blogosphäre heftig umstritten ist. Was den einen als legitime Geldeinnahmequelle erscheint, kommt anderen als Ausverkauf von Idealen vor. "Wir meinen, dass Blogs Geld verdienen sollten", brach Johnny Haeusler, Mitgründer der Vermarktungsplattform adical und des Spreeblick-Verlags, am gestrigen Donnerstag auf der Konferenz re:publica in Berlin eine Lanze für die zunehmende Kommerzialisierung der Szene. Thomas "Supatyp" Lau meinte dagegen, dass der "strukturelle Individualismus" von Bloggern und ihr Verharren im eigenen "Coolness-Bild" einer Vermarktung der Inhalte entgegenstehe. Die sich gerne als frei von redaktionellen Zwängen und normativen Presseregeln gebenden Betreiber von Webjournalen müssten beim Setzen auf Werbung eine "devote Haltung gegenüber einem Kunden einnehmen", was den wenigsten zupass käme.
Sascha Lobo, der mit Haeusler und derzeit 32 Weblogs an Bord die Werbeplattform adical gestartet hat, ist anderer Ansicht. Der ehemalige Inhaber einer Werbeagentur mit retropunkigem Irokesenschnitt hält es "für schlimm", wenn "das Potenzial" von Blogs nicht erkannt und dessen Ausschöpfung aus "religiösen Gründen" abgelehnt werde. Eine Gesellschaft, die Blogs als Medium bedienen könne, sei gleichsam "gegen den Totalitarismus" imprägniert, philosophierte der Werber. In solcher Fallhöhe leitete er dazu über, dass sich die Macher auch refinanzieren können müssten. Damit steige letztlich die Qualität der Blogs, da sich die Autoren etwa für eine Recherche auch einmal in den Zug setzen und zu einer Messe fahren könnten.
Werbung ist für Lobo letztlich eine "Kulturform, die andere Kulturformen ermöglicht". Zudem seien Blogger generell nicht die "Medienheiligen", die eine Kommerzialisierung komplett ablehnen würden. Und statt sich von PR-Agenturen für Einträge bezahlen zu lassen, sei eine transparente Form der Werbeschaltung der bessere Weg.
Beim ganzen Hype um nutzergenerierte Inhalte dürften die User selbst nicht mehr länger "ganz weit hinten bleiben", ergänzte Haeusler. Bisher würden Aggregatoren und Suchmaschinen wie Google mit dem Werbenetz Adsense den großen Reibach machen, während die eigentlichen Kreativen leer ausgingen. Die "Kultur des Bloggens" würde mit der Bannerschaltung auch nicht kaputt gehen. "Es wird immer Hunderte andere Blogs geben, die total Underground sind" und ohne Werbung "rocken", betonte der Radio-Moderator. Blogger seien in gewisser Hinsicht eben Künstler, die "total kommerziell" oder Avantgarde sein könnten.
Von einer "Verhurung" darf laut Haeusler aber nicht die Rede sein, nur weil man Anzeigen schalte. Beim Spreeblick-Blog wäre das eher der Fall gewesen, wenn er und seine Mitstreiter die Inhalte noch stärker auf die Surfer in Massen anziehende Inhalte wie Blödelvideos und so auf Google-Ad-Klicks getrimmt hätten. Auch dabei seien in einzelnen Monaten schon mal ein- bis zweitausend Euro rumgekommen. Haeusler störte daran aber, dass die Qualität der Anzeigen so gut wie nicht beeinflussbar gewesen sei. Gewisse Abhängigkeiten gegenüber Werbetreibenden gebe es immer, auch in den alten Medien, rechtfertigte der erfolgreiche Blogger den neuen Vorstoß weiter. "Ich hoffe aber, dass wir uns nicht verbiegen müssen."
Einzelne kritische Blogger haben sich derweil von Weblogs mit adical-Bannern rasch verabschiedet. Sie halten die bislang über die Plattform gezeigte Werbung für "grotesk und indiskutabel". Lobo kann sich trotzdem vor dem Ansturm von Beitrittswilligen kaum retten und hofft, "mittelfristig Lösungen für alle Blogs" anbieten zu können. Die ins Netzwerk Aufgenommenen würden aber immer "nach bestimmten Qualitätskriterien" ausgesucht. Eine Teilnehmerin der re:publica gab zudem zu bedenken, dass sich Bloggen ohne Anzeigen und Einkommenssteigerungen in der Aufmerksamkeitsökonomie keineswegs ausschließen müssen: "Es gibt viele Leute, die gute Angebote über ihre Blogs generiert haben", also etwa Einladungen auf Konferenzen oder Artikelanfragen bekommen hätten. Die Web-Journale seien schließlich unglaubliche Plattformen zur Selbstdarstellung und -vermarktung. "Das ist Cash from Chaos", griff sie den Titel der Diskussionsrunde auf.
Zur re:publica 07 siehe auch:
(Stefan Krempl) / (jk)