Bundestag streitet über Bekämpfung chinesischer Produktpiraterie

Die FDP hat einen Antrag gestellt, wonach die Bundesregierung mit Klagen vor der WTO und Präventivstrategien schärfer auf die Einhaltung geistiger Eigentumsrechte in China pochen soll, doch andere Fraktionen sind skeptisch

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 78 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Das zunehmende Ausmaß an Produktpiraterie und der Anteil Chinas daran hat am späten Mittwochabend den Bundestag beschäftigt. Den Stein ins Rollen gebracht hatte die FDP-Fraktion mit ihrem Antrag (PDF-Datei) "Deutsche Unternehmen vor chinesischer Produktpiraterie und Diskriminierung schützen", der zur nächtlichen Stunde zur Beratung anstand. Allzu ernst nahmen die Parlamentarier das Thema aber nicht: Die vorgesehenen Redner gaben ihre Beiträge angesichts der vorgerückten Zeit allein zu Protokoll. Nun soll in Fachausschüssen des Parlaments weiter über die Forderungen der Liberalen diskutiert werden. Diese drängen unter anderem darauf, dass die Bundesregierung von ihrem vermeintlichen Schmusekurs gegenüber Peking abrückt und mit Klagen vor der Welthandelsorganisation WTO und "Präventivstrategien" schärfer auf die Einhaltung geistiger Eigentumsrechte in China pochen soll.

Die Vertreter anderer Fraktionen zeigten teilweise Sympathien gegenüber dem Vorstoß, lehnten ihn in seiner vollen Konsequenz aber ab. "Der wirtschaftliche Schaden ist bei dem Wissens-, Forschungs- und Entwicklungsaufwand moderner Produkte, Verfahren und technischen Anlagen so groß, dass Patentklau wirtschaftliche Schäden mit unmittelbaren, in der Regel völlig unfairen Folgen für Unternehmen, Arbeitnehmer und ganze Wirtschaftsregionen haben kann", beklagte der CDU-Abgeordnete Erich G. Fritz allgemein. Das Problem der Produktpiraterie habe – "getrieben von einer bereits unanständig zu nennenden Konsumbereitschaft jenseits der Legalität bis zur hemmungslosen kriminellen Gewinnerzielung" – ein noch nie da gewesenes Ausmaß angenommen.

Verlockend werde die "Möglichkeit der Raubkopie" vor allem durch Märkte mit geringen Rechtsstandards oder mangelnder Kontrolle, räumte Fritz in Richtung China ein. Die Bundesregierung liege bei der Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte in Drittländern aber mit ihrem Ansatz "Kooperation statt Konfrontation" richtig. Zudem habe sie in der Abschlusserklärung des G8-Gipfels in Heiligendamm eine entsprechende Klausel verankert. Darin verpflichten sich die führenden Industriestaaten, "die Zusammenarbeit in diesem entscheidenden Bereich zwischen den G8 und anderen Ländern, insbesondere den wichtigen Schwellenländern, zu verstärken". China erfahre mit der Hinwendung zur eigenen Forschung an Hochtechnologien zudem "zunehmend selbst, welchen Schaden Produktpiraterie anrichtet". Generell sei die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte "vor allem Aufgabe der geschädigten Unternehmen". Hier sei manche deutsche Firma in der Vergangenheit "zu leichtfertig mit dem Schutz der eigenen Technologie umgegangen".

Ditmar Staffelt von der SPD unterstellte Peking "im besten Fall" ein "Steuerungsproblem" bei der Durchsetzung von bereits geschaffenen Gesetzen zum Immaterialgüterrecht. "China-Bashing" sei aber "keine rationale Basis für Politik". Rund ein Drittel aller beschlagnahmten Plagiate stamme zwar aus China und mehr als die Hälfte aus Asien. Doch auch aus den USA kämen rund elf Prozent und aus der Türkei rund neun Prozent der Fälschungen. Zudem rede die FDP die bereits ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung "in einem Maße klein, das unakzeptabel ist".

Für die Linksfraktion warf Ulla Lötzer den Liberalen vor, dass es ihnen nur um eine weitere Ausweitung des Patentschutzes und seiner Durchsetzung gehe: "Sie wollen eine Forcierung der Privatisierung von Wissen bei den Konzernen. Wir wollen Wissen als öffentliches Gut erhalten". Schon heute würden 63 Prozent der weltweiten gewerblichen Schutzrechte Konzernen der G8-Staaten gehören. Durch die Regeln zum Schutz des geistigen Eigentums werde so der Transfer des Wissens erschwert. Patentierungsabkommen verstoßen laut Lötzer gegen zahlreiche Menschenrechtsabkommen wie dem Recht auf Teilhabe am wissenschaftlichen Fortschritt, Gesundheit, Ernährung und Selbstbestimmung.

Auch Jürgen Trittin von den Grünen warnte vor einer "Hysterie" und eine "Dämonisierung Chinas". Es gebe kein Wundermittel gegen Produktpiraterie, daher sei ein Mix von Instrumenten notwendig. Um etwa den Herausforderungen des Klimawandels gerecht zu werden, sei es notwendig, dass auch in Schwellen- und Entwicklungsländern die effizienteste Technologie unter der notwendigen Wahrung des Schutzes des geistigen Eigentums zum Einsatz kommt.

"Wir müssen mehr als fünf Jahre nach dem WTO-Beitritt der Volksrepublik China unseren Unmut bezüglich der mangelhaften Durchsetzung von internationalen Übereinkommen, die China ratifiziert hat, äußern dürfen", hielt Harald Leibrecht von der FDP dagegen. Vielen Firmen fehle eine aktive Unterstützung der Bundesregierung bei der Durchsetzung ihrer Schutzrechte. So sei er bei seinen Recherchen zu den 25 Milliarden Euro, welche die deutsche Wirtschaft nach Angaben der Bundesregierung jährlich durch gefälschte Produkte verliere, auch schon im Zusammenhang mit den Einbußen deutscher Unternehmen allein durch chinesische Produktpiraterie auf diese Zahl gestoßen. Beim Zwangszertifizierungsprogramm Pekings für den Markteintritt ausländischer Firmen und der damit einhergehenden Vorlage von Akten oder Mustergeräten sieht Leibrecht den "Nebeneffekt, dass immer wieder nur kurze Zeit später exakte Kopien der zu lizenzierenden Produkte auf Fachmessen auftauchen". Dazu kämen Berichte über die "aktive Informationsgewinnung" chinesischer Firmen auf deutschem Boden. Berlin sei zum Handeln verpflichtet. (Stefan Krempl) / (jk)