EU-Gericht: Microsoft verhält sich wettbewerbswidrig
Der EU-Gerichtshof erster Instanz entschied über die Kartellrechtsauflagen, die die EU-Kommission gegen Microsoft verhängt hatte: Die Wettbewerbsauflagen und die Geldbuße wurden bestätigt, einzelne Bestimmungen zur Überwachung aber für ungültig erklärt.
Die EU-Kommission wird die Entscheidung des EU-Gerichts erster Instanz im Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft als grandiosen Sieg verbuchen: "Der Gerichtshof bestätigt grundsätzlich die Entscheidung der Kommission, die feststellte, dass Microsoft eine marktbeherrschende Position missbrauchte", erklärte das Gericht. Die Produktauflagen zur Offenlegung von Schnittstellen zur Serverkommunikation ebenso wie zur Sicherstellung des Wettbewerbs bei Medienplayern bleiben nach der Gerichtsentscheidung bestehen. Auch die Geldbuße in Höhe von 497 Millionen Euro wurde bestätigt. Der Gerichtshof erklärte dagegen nur einzelne Teile der Kommissionsentscheidung für ungültig, die die Ernennung eines Treuhänders zur Überwachung der Auflagen betrafen, da dies keine Basis in EU-Recht habe.
Das Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft läuft schon seit Jahren, initiiert unter anderem durch Beschwerden von Sun. Die Kommission hatte im März 2004 ein Rekordbußgeld von 497 Millionen Euro gegen Microsoft verhängt und das Unternehmen zur Öffnung von Windows für mehr Wettbewerb bei Medien-Playern und Servern verurteilt – dazu gehörte, dass Microsoft eine Windows-Version ohne Media Player anbieten musste und die Schnittstelleninformationen zur Kommunikation mit Microsoft-Servern offenlegen sollte. Seitdem läuft ein erbitterter Streit um die Umsetzung der Sanktionen. Im vergangenen Juli gab es bereits ein weiteres Bußgeld wegen Nichterfüllung der Strafmaßnahmen von 280,5 Millionen Euro. Der Wettbewerbsfall Microsoft ist der mit Abstand schwierigste in Brüssel. Das Unternehmen hatte beim EU-Gericht in Luxemburg gegen die Sanktionen aus dem Jahr 2004 geklagt.
Kläger Microsoft erwartete vom EU-Gericht erster Instanz vor allem Klarheit. Der US-Konzern wehrte sich insbesondere gegen die drei Jahre alte Auflage der Wettbewerbshüter, das Betriebssystem Windows für Arbeitsgruppenrechner mit Anwendungen anderer Hersteller dialogfähig zu machen: Die Codes und Schnittstelleninformationen mussten nach dem Entscheid der Kommission offengelegt werden, die Konkurrenten benötigten, um ihre Produkte mit Windows-Servern interoperabel zu machen.
In dem seit Jahren geführten Konflikt um Schnittstelleninformationen geht es im Kern um die Frage, inwieweit ein marktbeherrschender Konzern sein geistiges Eigentum schützen kann. Die EU-Kommission wollte mit ihrer Entscheidung erstmals in einen Markt eingreifen, bevor eine monopolartige Situation entstanden ist, und warf Microsoft vor, seine dominierende Stellung bei Desktop-Betriebssystemen wettbewerbswidrig auszunutzen, um eine ähnliche Stellung auch bei Servern zu erreichen. Microsoft dagegen wehrte sich gegen den Eindruck, in der IT-Branche fehle der Wettbewerb. Nicht zuletzt Kooperationsvereinbarungen mit Novell und mit Sun, eigentlich Erzkonkurrenten der Redmonder im Server- und Betriebssystemmarkt, lieferten dem Konzern nach eigener Ansicht gute Argumente. Auch zum Start von Vista arbeitete der Microsoft mit EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes zusammen, um neues Ungemach aus deren Behörde vorsorglich zu verhindern.
Der Gerichtshof erster Instanz entschied nun eindeutig, dass die Kommission die Situation im Servermarkt korrekt beschrieben und die richtigen Konsequenzen gezogen habe. Auch wies der Gerichtshof den Einwand Microsofts zurück, durch die Auflagen zur Interoperabilitätsgewährleistung bei Servern sei Technik betroffen, die durch Geistige-Eigentums-Rechte des Konzerns geschützt sei. Dies würde die Möglichkeiten, Interoperabilität zu gewährleisten und wettbewerbswidriges Verhalten zu verhindern, ausschalten. Auch habe Microsoft nicht ausreichend begründen können, warum die Offenlegung der Schnittstelleninformationen negative Effekte auf den Anreiz für Microsoft haben solle, innovative Techniken zu entwickeln. Ähnlich hielt der Gerichtshof auch die Entscheidung aufrecht, dass Microsoft Windows auch ohne Media Player anbieten müsse. Schließlich bestätigte der Gerichtshof der Kommission auch, dass sie die Schwere des wettbewerbswidrigen Verhaltens Microsofts richtig eingeschätzt habe und die Höhe der Geldbuße angemessen sei.
Gegen die Entscheidung des Gerichtshofs der ersten Instanz ist nun noch Berufung vor dem EU-Gerichtshof innerhalb von zwei Monaten möglich.
Zum EU-Kartellverfahren gegen Microsoft und zu Konflikten um Windows Vista siehe auch:
- Microsoft antwortet im Streit mit EU-Kommission
- Bericht: EU-Kommission könnte Microsofts Lizenzeinnahmen stark beschneiden
- EU-Kommission verlängert Antwortfrist für Microsoft
- EU-Kommissarin kritisiert Microsoft
- Microsoft vergibt erste WSPP-Lizenz
- Microsoft wehrt sich gegen EU-VorwĂĽrfe
- EU droht Microsoft im Wettbewerbsstreit mit neuem BuĂźgeld
- Microsoft ändert Vista nach EU-Vorgaben
- EU-WettbewerbshĂĽter prĂĽfen Beschwerde gegen Microsoft Vista
- Branchenverband wettert gegen Vista
- Microsoft reicht fristgerecht technische Informationen bei EU-Kommission ein
- EU-WettbewerbshĂĽter setzen Microsoft ein Ultimatum
- Sophos: McAfee und Symantec schlecht auf Vista vorbereitet
- Microsoft: McAfees Kritik an Vista ungenau und aufhetzend
- Microsoft baut Vista-APIs fĂĽr Sicherheitsfirmen
- Keine Verschiebung von Windows Vista in Europa
- Kaspersky: Microsoft behindert Hersteller von Antivirensoftware nicht
- Microsoft klagt gegen zusätzliche Strafe im EU-Wettbewerbsverfahren
- McAfee schaltet Anti-Werbung gegen Vista
- Symantec beschwert sich ĂĽber Microsoft
- Adobe und Symantec fĂĽhren bei EU-Kommission Beschwerde gegen Windows Vista
- EU-Kommissarin wehrt sich gegen VorwĂĽrfe von Microsoft
- Microsoft und EU-Kommission streiten ĂĽber Sicherheitsfunktionen in Vista
- EU-Kommission: Verantwortung fĂĽr Vista-Start liegt allein bei Microsoft
- Microsoft befürchtet verzögerten Vista-Start in Europa
- Microsoft legt neue Windows-Informationen in BrĂĽssel vor
- Microsoft will gegen neue Strafe im EU-Wettbewerbsverfahren klagen
- EU-Kommission verhängt neues Millionenbußgeld gegen Microsoft
- EU-Kommissarin Kroes kĂĽndigt neue GeldbuĂźe fĂĽr Microsoft an
- EU-Kartellwächter befürworten tägliche Microsoft-Strafe
- Tägliche Geldstrafe für Microsoft rückt näher
- Microsoft fordert vor EU-Gericht Strafminderung
- Microsofts Geheimhaltung vor EU-Gericht in der Kritik
- Microsoft beschwert sich vor EU-Gericht ĂĽber BegĂĽnstigung der Konkurrenz
- Microsofts Mediaplayer-Strategie vor EU-Gericht unter Beschuss
- Luxemburger Microsoft-Prozess beginnt mit hartem Schlagabtausch
- Microsoft sieht wachsende Konkurrenz fĂĽr Mediaplayer
- Linux-Gemeinde: EU-Patentkurs untergräbt Kartellverfahren gegen Microsoft
- EU-Kartellverfahren: Microsoft kommt in den USA nicht zum Zug
- EU-Kartellverfahren: Microsoft unterliegt erneut vor US-Gericht
- Microsoft erwartet Durchbruch im EU-Kartellstreit
- US-Regierung fordert von EU "faire Behandlung" fĂĽr Microsoft
- Neues EU-BuĂźgeld fĂĽr Microsoft wird wahrscheinlicher
- Microsofts Vista im Visier der europäischen Wettbewerbshüter
- Microsoft macht neue Konzessionen im EU-Kartellverfahren
- EU-Kommission antwortet auf Microsoft-Anschuldigungen
- Microsoft zweifelt Neutralität der EU-Wettbewerbshüter an
- Microsoft legt Dokumente im EU-Kartellstreit offen
- Microsoft antwortet im EU-Kartellverfahren kurz vor Ablauf des Ultimatums
- Microsoft wirft EU-Kommission im Kartellverfahren Regelverletzungen vor
- Microsoft droht weiterer Ă„rger von der EU-Kommission
- Microsoft kommt EU entgegen und lizenziert Quellcode fĂĽr Windows Server
- EU-Kommission droht Microsoft tägliche Millionen-Strafe an
- Ballmer in BrĂĽssel: Interoperables FrĂĽhstĂĽck
- EU-Kommission benennt "Microsoft-Berater"
- XP N + MediaPack = XP - N
- EU-Kartellverfahren: Keine Microsoft-Technik unter Open-Source-Lizenzen
- EU-Kommission testet Microsoft-Zugeständnisse
- Microsoft legt Vorschläge zu Wettbewerbsauflagen in Brüssel vor
- EU-Kommission verliert Geduld mit Microsoft
- Microsoft bei den EU-WettbewerbshĂĽtern weiter auf dem PrĂĽfstand
- EU-Kommission: Microsoft setzt Server-Auflagen nicht ausreichend um
- Microsoft verzichtet auf Berufung gegen EU-Urteil
- Microsoft will Auflagen der EU-Kommission erfĂĽllen
- EU-Gerichtspräsident bestätigt Sanktionen gegen Microsoft
- Schlagabtausch von Microsoft und EU-Kommission vor EU-Gericht
- Microsoft bezahlt BrĂĽsseler RekordbuĂźgeld
- Microsoft beantragt Aussetzung von EU-Auflagen
- Sun und RealNetworks begrĂĽĂźen EU-Entscheidung im Microsoft-Verfahren
- Microsoft: Entscheidung der EU-Kommission nicht im Sinne der Verbraucher
- EU-Kommission verfĂĽgt Geldstrafe und Produktauflagen gegen Microsoft
- Bei Microsoft kennt Mario Monti kein Pardon
- Microsoft: EU verhängt 497 Millionen Euro Strafe
- Mitteilung der EU-Kommission zum Abschluss der Untersuchung gegen Microsoft
- EU eröffnet neues Kartell-Verfahren gegen Microsoft
- EU eröffnet erstmals Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft