EU-Gericht: Microsoft verhält sich wettbewerbswidrig

Der EU-Gerichtshof erster Instanz entschied über die Kartellrechtsauflagen, die die EU-Kommission gegen Microsoft verhängt hatte: Die Wettbewerbsauflagen und die Geldbuße wurden bestätigt, einzelne Bestimmungen zur Überwachung aber für ungültig erklärt.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die EU-Kommission wird die Entscheidung des EU-Gerichts erster Instanz im Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft als grandiosen Sieg verbuchen: "Der Gerichtshof bestätigt grundsätzlich die Entscheidung der Kommission, die feststellte, dass Microsoft eine marktbeherrschende Position missbrauchte", erklärte das Gericht. Die Produktauflagen zur Offenlegung von Schnittstellen zur Serverkommunikation ebenso wie zur Sicherstellung des Wettbewerbs bei Medienplayern bleiben nach der Gerichtsentscheidung bestehen. Auch die Geldbuße in Höhe von 497 Millionen Euro wurde bestätigt. Der Gerichtshof erklärte dagegen nur einzelne Teile der Kommissionsentscheidung für ungültig, die die Ernennung eines Treuhänders zur Überwachung der Auflagen betrafen, da dies keine Basis in EU-Recht habe.

Das Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft läuft schon seit Jahren, initiiert unter anderem durch Beschwerden von Sun. Die Kommission hatte im März 2004 ein Rekordbußgeld von 497 Millionen Euro gegen Microsoft verhängt und das Unternehmen zur Öffnung von Windows für mehr Wettbewerb bei Medien-Playern und Servern verurteilt – dazu gehörte, dass Microsoft eine Windows-Version ohne Media Player anbieten musste und die Schnittstelleninformationen zur Kommunikation mit Microsoft-Servern offenlegen sollte. Seitdem läuft ein erbitterter Streit um die Umsetzung der Sanktionen. Im vergangenen Juli gab es bereits ein weiteres Bußgeld wegen Nichterfüllung der Strafmaßnahmen von 280,5 Millionen Euro. Der Wettbewerbsfall Microsoft ist der mit Abstand schwierigste in Brüssel. Das Unternehmen hatte beim EU-Gericht in Luxemburg gegen die Sanktionen aus dem Jahr 2004 geklagt.

Kläger Microsoft erwartete vom EU-Gericht erster Instanz vor allem Klarheit. Der US-Konzern wehrte sich insbesondere gegen die drei Jahre alte Auflage der Wettbewerbshüter, das Betriebssystem Windows für Arbeitsgruppenrechner mit Anwendungen anderer Hersteller dialogfähig zu machen: Die Codes und Schnittstelleninformationen mussten nach dem Entscheid der Kommission offengelegt werden, die Konkurrenten benötigten, um ihre Produkte mit Windows-Servern interoperabel zu machen.

In dem seit Jahren geführten Konflikt um Schnittstelleninformationen geht es im Kern um die Frage, inwieweit ein marktbeherrschender Konzern sein geistiges Eigentum schützen kann. Die EU-Kommission wollte mit ihrer Entscheidung erstmals in einen Markt eingreifen, bevor eine monopolartige Situation entstanden ist, und warf Microsoft vor, seine dominierende Stellung bei Desktop-Betriebssystemen wettbewerbswidrig auszunutzen, um eine ähnliche Stellung auch bei Servern zu erreichen. Microsoft dagegen wehrte sich gegen den Eindruck, in der IT-Branche fehle der Wettbewerb. Nicht zuletzt Kooperationsvereinbarungen mit Novell und mit Sun, eigentlich Erzkonkurrenten der Redmonder im Server- und Betriebssystemmarkt, lieferten dem Konzern nach eigener Ansicht gute Argumente. Auch zum Start von Vista arbeitete der Microsoft mit EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes zusammen, um neues Ungemach aus deren Behörde vorsorglich zu verhindern.

Der Gerichtshof erster Instanz entschied nun eindeutig, dass die Kommission die Situation im Servermarkt korrekt beschrieben und die richtigen Konsequenzen gezogen habe. Auch wies der Gerichtshof den Einwand Microsofts zurück, durch die Auflagen zur Interoperabilitätsgewährleistung bei Servern sei Technik betroffen, die durch Geistige-Eigentums-Rechte des Konzerns geschützt sei. Dies würde die Möglichkeiten, Interoperabilität zu gewährleisten und wettbewerbswidriges Verhalten zu verhindern, ausschalten. Auch habe Microsoft nicht ausreichend begründen können, warum die Offenlegung der Schnittstelleninformationen negative Effekte auf den Anreiz für Microsoft haben solle, innovative Techniken zu entwickeln. Ähnlich hielt der Gerichtshof auch die Entscheidung aufrecht, dass Microsoft Windows auch ohne Media Player anbieten müsse. Schließlich bestätigte der Gerichtshof der Kommission auch, dass sie die Schwere des wettbewerbswidrigen Verhaltens Microsofts richtig eingeschätzt habe und die Höhe der Geldbuße angemessen sei.

Gegen die Entscheidung des Gerichtshofs der ersten Instanz ist nun noch Berufung vor dem EU-Gerichtshof innerhalb von zwei Monaten möglich.

Zum EU-Kartellverfahren gegen Microsoft und zu Konflikten um Windows Vista siehe auch: