AOL zieht sich aus Deutschland zurĂĽck
Neuausrichtung und Sparprogramm kosten bei AOL hunderte Mitarbeiter den Job: Die deutschen Niederlassungen werden geschlossen, auch amerikanische und andere europäische Standorte stehen vor dem Aus.
Der Internetkonzern AOL zieht sich aus Deutschland zurück und schließt seine Niederlassungen in Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt und München. Entsprechende Medienberichte bestätigte das Unternehmen am Montag in Hamburg. Rund 140 Mitarbeiter werden ihren Job verlieren. Die erst im Dezember beförderte neue Deutschlandchefin Marianne Stroehmann soll das Unternehmen nun abwickeln. Die Frankfurter Tochtergesellschaft Adtech soll von der Maßnahme nicht betroffen sein und weitergeführt werden.
Der Rückzug aus Deutschland gehört zur Neuausrichtung, die der neue CEO Tim Armstrong dem einst stolzen Internetriesen verordnet hat. AOL hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, 2500 Stellen zu streichen. Zunächst sollte das mit einem freiwilligen Abfindungsprogramm erreicht werden. Bis zum Jahresende haben sich US-Berichten zufolge aber nicht genügend Freiwillige gefunden, nur 1100 Mitarbeiter haben das Angebot angenommen. Nun will der Konzern auch Kündigungen aussprechen.
In Europa werden dafür offenbar nahezu alle Standorte in elf Ländern geprüft; Berichten zufolge stehen Schließungen in Schweden, Spanien und Frankreich bevor. Bleiben dürften die Niederlassungen in Irland und Großbritannien, allerdings sei dort ein "massiver Jobabbau" zu erwarten, berichtet der Branchendienst Horizont. Weitere 500 Mitarbeiter sollen in den USA entlassen werden, wo offenbar die Büros in Seattle und Dallas vor der Schließung stehen.
AOL Deutschland war im Herbst 2006 mit dem Verkauf des DSL-Zugangsgeschäfts an Hansenet der neuen globalen Strategie des Konzerns gefolgt und wollte sich auf das Internet-Portal und die Vermarktung von Werbung konzentrieren. Während viele Mitarbeiter damals mit der DSL-Sparte zu Hansenet wechselten, kostete die Neuausrichtung wenig später zunächst 100 der verbliebenen 250 Jobs in Hamburg.
Fast auf den Tag genau zehn Jahre nach Bekanntgabe der spektakulärsten Fusion der US-Wirtschaftsgeschichte ist das Schicksal von AOL in Deutschland damit besiegelt. Der Internetzugangsanbieter war auf dem Höhepunkt der New Economy mit dem Medien-Riesen Time Warner zusammengegangen. Beide Partner wurden nie miteinander glücklich, die erst Ende 2009 mit dem Börsengang von AOL wieder aufgelöste Ehe gilt heute als schwerer Fehler.
Gerald Levin, damals der Spitzenmann von Time Warner und schließlich erster CEO des Gemeinschaftsunternehmens, räumte anlässlich des Jahrestages gegenüber dem US-Sender CNBC ein, er habe den "schlechtesten Deal des Jahrhunderts" zu verantworten. (vbr)