Analyse zum massenhaften Verschwinden von E-Mails im Weißen Haus veröffentlicht

Laut einer Studie von Bürgerrechtlern und des National Security Archive versagte das Archivierungsprogramm am Regierungssitz nach der Umstellung von Lotus Notes auf Microsoft Exchange. Warnungen seien in den Wind geschlagen worden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 133 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.

Die US-Bürgerrechtsorganisation "Citizens for Responsibility and Ethics" (CREW) und das National Security Archive der George Washington University haben Details einer Analyse zum Verschwinden mehrerer Millionen E-Mails aus der Korrespondenz des Weißen Hauses zwischen 2003 und 2005 publik gemacht. Die Probleme mit dem Archivierungsprogramm, das die Clinton-Regierung für den Regierungssitz in Washington einführte, begannen demnach mit der Umstellung von Lotus Notes auf Microsoft Exchange als Software für die Abwicklung elektronischer Post durch das Team von George W. Bush, berichtet die Washington Post unter Verweis auf eine Untersuchung des Vorfalls durch die beiden Einrichtungen. Warnungen des Verwaltungsamts im Weißen Haus vor der Fehlfunktion seien von den Verantwortlichen in den Wind geschlagen worden.

Das Weiße Haus habe die Migration nicht ausgesetzt und die Archivierungsfunktion wieder zum Laufen gebracht, moniert ein CREW-Rechtsexperte. Vielmehr habe man quasi sehenden Auges einfach mit der Softwareumrüstung weitergemacht. Die damalige Justiziarin des Weißen Hauses, Harriet Miers, habe auch einen Vorschlag des Verwaltungsamts zur vollständigen Wiederherstellung aller im Jahr 2005 verlorengegangenen E-Mails abgelehnt. Letztlich sei für mindestens 10 Millionen US-Dollar ein neues Aufzeichnungsprogramm angeschafft worden, das aber bei seinem Start rückwirkend nur noch auf die E-Post der vergangenen 48 Tage zurückgegriffen habe. CREW-Justiziarin Anne Weismann beklagt, Dokumente, die Einblicke in die Entscheidungsfindung der Regierung an mehreren Brennpunkten hätten geben können, seien wohl für immer abhanden gekommen.

Die Bürgerrechtler hatten Ende vergangenen Jahres einen Kompromiss mit der Regierung Barack Obamas ausgehandelt, wonach der E-Mail-Verkehr für 94 ausgewählte Tage zwischen Juni 2003 und Oktober 2005 so weit wie möglich rekonstruiert und archiviert wurde. Die Autoren der Untersuchung bedauern, dass Historiker dennoch viele Schlüsselangaben in der Korrespondenz bei der Aufarbeitung der Geschichte der Bush-Präsidentschaft vermissen dürften. Vertreter des National Security Archive befürchteten zu der Zeit, als das Abhandenkommens der Mails bekannt wurde, dass viele Bestimmungen der Bush-Regierung etwa zur Invasion im Irak, zu den Maßnahmen nach dem Hurrikan Katrina oder nach dem Folterskandal im Gefängnis von Abu Ghraib nie vollständig von Geschichtswissenschaftlern verstanden werden könnten. (anw)