Billig-Angebote sorgen im Navi-Markt fĂĽr Turbulenzen
Die etablierten Navi-Hersteller mit ihrem jahrelang boomenden Geschäft bekommen immer mehr Konkurrenz von Billig-Anbietern, die ihre Lösungen fast zum Nulltarif anbieten.
In der Navigationsgeräte-Branche liegen die Nerven blank. Die etablierten Hersteller mit ihrem jahrelang boomenden Geschäft bekommen immer mehr Konkurrenz. Zuletzt hatte der Suchmaschinenspezialist Google die Aktienkurse der Platzhirsche in den Keller geschickt – mit der Ankündigung, eine komplette Navi-Lösung kostenlos anzubieten. Nun sorgen auch weitere Anwendungen für wenige Euro für Unruhe.
Nach steilen Zuwächsen in den vergangenen Jahren dürfte der Absatz 2009 erstmals um ein Prozent auf 4,2 Millionen verkaufte Navigationsgeräte sinken. Handy-Lösungen liefen den klassischen Geräten den Rang ab, stellte der IT-Branchenverband Bitkom fest. Die etablierten Hersteller wie Navigon oder TomTom versuchen, mit eigenen Handy-Angeboten auf den Trend aufzuspringen. Doch ihre teuren Produkte treffen auf neue Wettbewerber.
"Der Markt mit Navi-Software scheint sich völlig anders zu entwickeln als ursprünglich gedacht", sagt Marcus Thielking, Geschäftsführer des Start-ups Skobbler. Seit der iPhone-Hersteller Apple seinen App Store vor einiger Zeit auch für Navigationssoftware geöffnet hat, ist auch die junge Berliner Firma mit einer abgespeckten Navi-Software für wenige Euro dabei  und hängte dort sofort die Großen ab.
Während die mobilen Lösungen der führenden Anbieter für Apples iPhone rund 50 bis 100 Euro kosten, bot Skobbler seinen Wegweiser mit 2D-Ansicht den iPhone-Nutzern in Deutschland zunächst für knapp vier Euro an. Weil das Programm selbst kein Kartenmaterial enthält, sondern sich die nötigen Kartenschnipsel bei jeder Navgation einzeln herunter lädt, kann der Hersteller die Applikation günstiger anbieten. Trotz des großen Preisunterschieds wurde die Software in wenigen Tagen zur umsatzstärksten Anwendung auf der Hitliste des App Store. Auch heute noch ist sie die meistverkaufte Navi-Lösung unter den kleinen Hilfsprogrammen vor den Marktführern. Für viele andere Handys, etwa von Nokia, LG, Samsung oder Sony Ericsson ist die Skobbler-Anwendung sogar kostenlos auf der Webseite des Herstellers zu bekommen.
Der Durchmarsch der Skobbler-Anwendung könnten Navigon und andere Hersteller wie TomTom in den eigenen Kassen kräftig zu spüren bekommen. Navigon gibt sich aber dennoch gelassen: skobbler sei eine ganz andere Kategorie von Anwendung, sagte Unternehmenssprecher Michael Hoffmann. Statt das Kartenmaterial im Gerät vorzuhalten, konzentrierten sich Anbieter wie Skobbler weiterhin auf sogenannte Offboard-Lösungen, die eine ständige Internet-Verbindung benötigen, um das Kartenmaterial und die Route nachzuladen. Auch in der Qualität der Karten gebe es erhebliche Unterschiede.
Selbst die von Google angekündigte kostenlose Navi-Lösung schreckt Navigon nach eigenen Angaben nicht. Navigon sei derzeit sowohl in Europa als auch in den USA Marktführer bei Onboard-Lösungen und biete auch für Handys mit Googles Betriebssystem seit längerem Android-Anwendungen an, so Hoffmann.
Thielking sieht das allerdings anders: Nach dem, was man bisher gesehen hat, sei Googles Anwendung "unfassbar gut". "Da blieb vielen in der Branche der Mund offen stehen." Immerhin war unmittelbar nach der Ankündigung vor rund drei Wochen die Aktie des niederländischen Herstellers TomTom um 21 Prozent auf nur etwas über acht Euro abgesackt. Google Maps Navigation soll als vollwertige Lösung mit Sprachsteuerung für Android-Handys kostenlos verfügbar sein. Für einen Marktstart in Deutschland gibt es allerdings noch keinen Termin.
Ob kleine, schlichte Navigationshilfen den großen und ausgereiften Lösungen mit detailliertem Kartenmaterial, 3D-Darstellung, Stau- und Baustellenmeldern tatsächlich echte Konkurrenz machen werden, bleibt vorerst abzuwarten. Es werde genügend Platz für verschiedenste Angebote geben, schätzt Thielking. "Die Kunden werden aber viel mehr auf den Preis schauen." Insofern sieht sich Skobbler in einer guten Position .
Und die Gelassenheit bei Navigon zeigt schon erste Risse. Inzwischen herrscht offene Feindschaft zwischen dem MarktfĂĽhrer und der kleinen Berliner Firma, die vor Gericht ausgetragen werden soll.
Navigon habe versucht, Apple zu einer Entfernung der Skobbler-Software aus dem App Store zu bewegen, berichtete das Start-Up am Freitag. Mit einer zwischenzeitlichen Preiserhöhung habe man noch vergeblich versucht, "die Situation gegenüber Navigon zu deeskalieren", sagte Thielking. Vorwürfe, das Unternehmen habe mit seiner Software Vertrags- und Lizenzverletzungen begangen, habe
Skobbler vorerst gerichtlich unterbinden lassen.
Die momentane gerichtliche Auseinandersetzung wirkt etwas befremdlich vor dem Hintergrund, dass Skobbler 2006 als Offboard-Navi-Projekt bei bei Navigon selbst entstand, und sich erst 2008 als eigenständiges Unternehmen von der Firma loslöste. Nach Aussage eines Skobbler-Pressesprechers sah die Navigon-Führungsebene damals keine Zukunft für Offboard-Navi-Lösungen. (dal)