Biometrische Reisepässe beim EuGH auf dem Prüfstand
Vom Europäischen Gerichtshof gehörte Sachverständige betonten, dass der Nutzen von biometrischen Fingerabdrücken in Reisepässen fraglich, die Risiken aber hoch seien.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss derzeit aufgrund einer Klage des Bochumer Rechtsanwalts Michael Schwarz prüfen, ob die 2004 beschlossene EU-Verordnung zur Einführung biometrischer Merkmale in Reisepässe Bestand haben kann (Az.: C-291/12). Bei einer Anhörung am Mittwochnachmittag betonten Sachverständige, dass der vom EU-Rat erhoffte Nutzen von Fingerabdrücken in elektronischen Dokumenten zur Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung fraglich sei.
Demgegenüber stehe das "erhebliche Risiko" des unkontrollierbaren "Abflusses" der biometrischen Daten durch die internationale Zusammenarbeit von Ermittlungsbehörden und deren Speicherung in zentralen Systemen, führt Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC) in ihrer vorab verbreiteten Stellungnahme aus. Kurz verweist darin auch darauf, dass der CCC bereits 2004 erfolgreich demonstriert habe, wie sich Fingerabdrücke fremder Menschen von Alltagsgegenständen abnehmen und marktübliche Fingerabdrucksensoren überlisten lassen.
Nach Einschätzung des CCC kann jeder ohne besonderes Fachwissen den RFID-Chip im Pass deaktivieren, der die biometrischen Daten enthält. Damit werde das Auslesen der Informationen dauerhaft verhindert. Das Dokument bleibe trotzdem weiterhin gültig, da auch eine Fehlfunktion des Chips nicht auszuschließen sei. Das Argument, mit der Erfassung der Abdrücke werde die Sicherheit gesteigert, sei daher absurd.
Schwarz war 2007 vor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gezogen, da ihm die Stadt Bochum die Ausgabe eines Reisepasses ohne Aufnahme seiner Fingerabdrücke verweigert. Die Verwaltungsjuristen schätzten die 2007 ins deutsche Passgesetz aufgenommene Anforderung als "schwere Datenschutzverletzung" ein. Zudem taugten die E-Pässe nur beschränkt dazu, terroristische Angriffe zu verhindern. Vor einer eigenen Entscheidung wollten die Gelsenkirchener Richter vom EuGH wissen, ob die europäische Rechtsgrundlage formal korrekt zustande gekommen und mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sei.
Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission setzte nur auf eine freiwillige Aufnahme von Fingerabdrücken in die Dokumente. Die Mitgliedsstaaten votierten aber für eine Verpflichtung, ohne Bedenken des EU-Parlaments aufzunehmen. Insgesamt seien schon beim Erlass der Bestimmung rechtsstaatliche Grundsätze auf den Kopf gestellt worden, meint der Kläger. Mit einem Urteil ist nach dem Plädoyer der Generalanwaltschaft des EuGH in einigen Monaten zu rechnen.
Auch dem Bundesverfassungsgericht lag bereits seit 2008 eine Beschwerde der Autorin Juli Zeh gegen die biometrische Erfassung von Fingerabdrücken vor. Die Karlsruher Richter gaben Ende vergangenen Jahres aber bekannt, dass sie die Klage aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen hätten. Einen Missbrauch der Daten in Pässen durch andere Staaten wollten sie nicht ausschließen. Zugleich ließen sie durchblicken, dass ihnen eine Freiwilligkeitsklausel in dieser Angelegenheit lieber gewesen wäre.
(vbr)