Bundespräsident Gauck: Datenschutz so wichtig wie Umweltschutz
Der Bundespräsident hat "Gesetze, Konventionen und gesellschaftliche Verabredungen" gefordert, die dem "epochalen Wandel" im Umgang mit digitalen Daten Rechnung tragen.
Bundespräsident Joachim Gauck hat "Gesetze, Konventionen und gesellschaftliche Verabredungen" gefordert, die dem "epochalen Wandel" im Umgang mit digitalen Daten Rechnung tragen. "Der Datenschutz sollte für den Erhalt der Privatsphäre so wichtig werden wie Umweltschutz für den Erhalt der Lebensgrundlagen", postulierte das Staatsoberhaupt am Donnerstag in seiner Rede zum Festakt am Tag der Deutschen Einheit in Stuttgart. Die Bürger müssten die Vorteile der digitalen Welt nutzen, sich gegen ihre Nachteile aber bestmöglich schützen können.
Der frühere Beauftragte für die Stasi-Unterlagen bezeichnete insbesondere die NSA-Affäre als Weckruf. Wohin die Vernetzung führe, darüber hätten "wir einfachen 'User' bislang wenig nachgedacht". Erst die Berichte über die Datensammlung befreundeter Geheimdienste hätten die Menschen mit einer Realität konfrontiert, die sie bis dahin für unvorstellbar hielten, und vielen "die Gefahr für die Privatsphäre bewusst" gemacht.
Gauck erinnerte daran, dass sich vor 30 Jahren Bundesbürger sich noch leidenschaftlich gegen die Volkszählung wehrten und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durchsetzten. Insbesondere in der DDR hätten Betroffene gegen das totalitäre System und Gesinnungsschnüffelei gekämpft. Heute trügen die Nutzer dagegen freiwillig oder gedankenlos bei jedem Klick im Netz Persönliches zu Markte, die Jüngeren vertrauten sozialen Netzwerken "gleich ihr ganzes Leben an". Viele verstünden nicht oder wollten nicht wissen, "dass sie so mit bauen am digitalen Zwilling ihrer realen Person, der neben ihren Stärken auch ihre Schwächen enthüllt". Dieser Schatten lasse den Einzelnen "transparent, kalkulierbar und manipulierbar werden für Dienste und Politik, Kommerz und Arbeitsmarkt".
Für Gauck gilt es daher, politische, gesellschaftliche, ethische und praktische Lösungen zu suchen. Diese müssten sich etwa darauf beziehen, was ein freiheitlicher Staat im Geheimen tun dürfe oder müsse, um seine Bürger zu schützen, und was er unterlassen müsse, um die Freiheit nicht der Sicherheit zu opfern. Er drängte auch auf eine stärkere Debatte, wie der Arbeitsmarkt aussehen müsse, "damit der allzeit verfügbare Mensch nicht zum digitalen Untertanen wird". Diskutiert werden müsse, wie Familie und Freundschaften neben virtuellen Beziehungen bestehen und Kinder sowie Jugendliche das Netz nutzen könnten, ohne darin gefangen zu werden. (anw)