Bundesregierung: "Diffuse Ängste" vor TTIP sind unbegründet
In der Debatte einer Petition gegen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA im Bundestag versuchte eine Regierungsvertreterin, die Sorgen in der Bevölkerung rund um den Vertrag zu entkräften.
Brigitte Zypries, parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, warb am Montag im Petitionsausschuss des Bundestags für das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. "Wir wollen die Globalisierung mitgestalten", betonte die Sozialdemokratin in der öffentlichen Anhörung einer Petition gegen die Handelspartnerschaft. Die EU müsse dabei sein, "wenn Standards gesetzt werden", und diese "in unserem Sinne beeinflussen". Sonst machten die USA mit anderen Weltregionen Nägel mit Köpfen.
Gerade viele kleinere und mittlere Unternehmen wünschten sich ein einheitlicheres Wirtschaftsumfeld, um einfacher in die USA liefern zu können, führte Zypries aus. Öffentliche Aufträge müssten künftig von US-Seite so ausgeschrieben werden, dass sich deutsche Firmen bewerben könnten. Andersherum sei dies ihres Wissens nach schon der Fall. Die Ex-Justizministerium sprach auch vom "ureigensten Interesse" Berlins, "dass wir die öffentliche Daseinsvorsorge schützen". Die Bundesregierung habe hier etwa bei der Wasser- oder Energieversorgung "immer wieder harte Kante gezeigt".
"Diffuse Ängste"
Die Politik müsse es lernen, mit "diffusen", aber weitgehend unbegründeten Ängsten unter den Wählern rund um das Abkommen umzugehen, räumte Zypries ein. Es sei daher wichtig, dass die EU-Kommission jetzt endlich das zuvor bereits geleakte Verhandlungsmandat freigegeben habe. "Wir wollen größtmögliche Offenheit in die Debatte bekommen", versicherte die SPD-Politikerin. Dies sei nötig, um Vertrauen zu schaffen. Die Verhandlungen könnten aber nicht alle öffentlich sein, hier müsse "ein gewisses Maß an Vertraulichkeit" gegeben sein. Am Ende müssten aber ohnehin alle 28 EU-Länder noch über den Text abstimmen.
Ein paralleles Justizverfahren, wie die in TTIP und anderen Freihandelsabkommen vorgesehene Schiedsgerichte für Dispute zwischen Unternehmen und Staaten, werde nicht "gebraucht", meint Zypries: "Wir haben funktionierende Rechtssysteme." Zu einer Bemerkung von Abgeordneten, dass eine solche Klausel auch im fast fertigen Abkommen CETA zwischen der EU und Kanada und damit der Blaupause für TTIP enthalten sei, wollte sie sich nicht weiter äußern. Generell begründe die reine "Erwartungshaltung von Unternehmen" etwa auf eine Fracking-Genehmigung hierzulande "keinen Schadensersatzanspruch". Zudem seien einzelne US-Verbraucherschutzbestimmungen sogar strenger als Pendants hierzulande.
"Weniger Lobbyismus, mehr Transparenz"
Karl Bär, der für die aus Bayern stammende Hauptpetentin sprach, erwartet hingegen nicht, "dass beide Seiten ihre Standards auf möglichst hohem Niveau angleichen". Bei der Daseinsvorsorge und öffentlichen Dienstleistungen dürfte alles, was nicht explizit als Ausnahme aufgeführt werde, automatisch weitgehend liberalisiert werden. Die Kommission habe vorab "zu 90 Prozent" mit Industrieverbänden gesprochen, kritisierte der Mitarbeiter des Umweltinstituts München und forderte "etwas weniger Lobbyismus und etwas mehr Transparenz".
Die Petition, wonach durch TTIP eine "noch umfassendere Überwachung und Gängelung von Internetnutzern" droht und bald "exzessive Urheberrechte den Zugang zu Kultur, Bildung und Wissenschaft" erschweren könnten, erreichte mit über 68.000 Mitzeichnern das Quorum von 50.000 Unterschriften für eine öffentliche Anhörung. Die Abgeordneten wollen die Eingabe, wonach sich die Bundesregierung gegen TTIP aussprechen soll, noch weiter beraten. Ein selbstorganisierter Anlauf für eine Europäische Bürgerinitiative gegen den Vertrag hat derweil binnen weniger Tage über 570.000 Unterstützer gefunden. (vbr)