Bundestag: Internetausschuss will postnaive Netzpolitik auf Augenhöhe vorantreiben
Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion haben ihre Ziele fĂĽr den neuen Hauptausschuss des Parlaments fĂĽr "Internet und Digitale Agenda" vorgestellt. Sie wollen den "Brandbeschleuniger" spielen und auch mal "pieksen".
Jens Koeppen, künftiger Vorsitzender des kommenden Bundestagsausschusses für Netzpolitik, will das Thema endgültig "aus dem Dornröschenschlaf" wecken. Dies erklärte er am Mittwoch, bevor am morgigen Donnerstag das Gremium durch den Bundestag eingesetzt wird. Das Internet finde längst seinen Widerhall etwa in der Telemedizin, in wirtschaftlichen Wachstumschancen oder in der Unterhaltung, erklärte der CDU-Politiker. "Das sind Chancen, die wir weiter ausbauen müssen."
So ähnlich hörte sich die Botschaft bereits in der vergangenen Legislaturperiode bei der erneuten Bestellung des Unterausschusses Neue Medien an, in den die Volksvertreter die Netzpolitik bislang verbannt hatten. Doch dieses Mal soll alles anders werden. "Wir haben zu lange gewartet, nur reagiert", räumte Koeppen ein. Jetzt soll "das Querschnittsthema in seinem gesamten Facettenreichtum" angefasst werden.
"Keine Untermenge von Kultur"
Dass der ständige Internetausschuss in keinem Gebiet federführend, sondern insgesamt nur mitberatend tätig sein soll, sieht Koeppen nicht als Manko. Koeppen betont, er sei mit allen anderen Fachgremien absolut gleichberechtigt. Zugleich versprach er, dass die Netzpolitiker sich angesichts dessen, dass das Thema auf mehrere Ministerien aufgeteilt ist, "selbst ihre Digitale Agenda zusammenbasteln" wollten.
Thomas Jarzombek, designierter netzpolitischer Sprecher von CDU/CSU, meinte, der Ausschuss sei nun "keine Untermenge von Kultur" mehr. Er werde "immer auf die Schnittstelle zwischen den einzelnen Ministerien und AusschĂĽssen setzen". Das Gremium verstehe sich auch als "Servicepartner" fĂĽr Ministerien und die anderen AusschĂĽssen. Es wolle dabei den "technischen Aspekt in den Vordergrund stellen und den ein oder anderen auch mal ein bisschen pieksen".
Für Jarzombek – vormals Mitglied der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" – ist es wichtig, "weitgehend vergessene" Gebiete wie E-Health stärker in den Vordergrund zu rücken und ein "Faible für Existenzgründer" im Haus zu entwickeln. Diese sollten von "interessanten Projekten" berichten dürfen wie einem – in Österreich bereits gehackten – elektronischen Türöffnungssystem für Hauseingänge. Auch Grundsatzfragen etwa zu den Möglichkeiten des Staates und der Politik, auf die sich ändernde Informationstechnik angemessen reagieren zu können, will Jarzombek bearbeiten. Die Euphorie fürs Netz ist für ihn noch da, "aber wir sind in der postnaiven Phase".
Fehlender Internetminister verschmerzbar
Nadine Schön, Vizevorsitzende der CDU/CSU-Fraktion für die Digitale Agenda, betonte, bei laufenden Gesetzesvorhaben müsse der Ausschuss nicht nur angehört werden, sondern seine Meinung auch in das Verfahren über das federführende Gremium mit aufgenommen werden. Nach den vier Jahren Arbeitszeit wäre es Schön am liebsten, wenn "alle anderen Länder bei der Digitalisierung auf Deutschland schauen". Dass es für den Ausschuss keinen direkten Internetminister als Ansprechpartner gibt, hält sie für verschmerzbar. Um eine solche Position einzurichten, hätten ihrer Ansicht nach zu große Bereiche aus bestehenden Ressorts abgezogen werden müssen.
Mit welcher konkreten Materie die Netzpolitiker der Union in den Politikbetrieb einsteigen wollen, gilt es noch mit dem Koalitionspartner abzusprechen. Von den 16 Mitgliedern des Ausschusses stellt die CDU/CSU sieben, die SPD fünf. Grüne und Linke dürfen je zwei Vertreter in das Gremium schicken, das ihrer Ansicht nach als zahnloser Tiger enden könnte. Die Opposition bemängelt auch, dass noch nicht einmal feststeht, wann das Gremium das erste Mal tagen soll.
Ausschuss als Brandbeschleuniger
Der von der Koalition geplante flächendeckende Breitbandausbau mit mindestens 50 MBit/s bis 2018 wird die Abgeordneten auf jeden Fall beschäftigen. Der Uckermärker Koeppen berichtete, dass in seinem Wohngebiet derlei Anschlussgeschwindigkeiten zwar bereits verfügbar seien. Schon ein paar Kilometer weiter gebe es aber nicht einmal Handy-Empfang. Um die Vernetzungsziele zu erreichen, müsse der Ausschuss "den Brandbeschleuniger spielen" und technisch "alle Facetten" mit LTE, Glasfaser und Vectoring nutzen.
Das Gremium will Werkzeuge schaffen, um Sachverstand aus der "sogenannten Community" einzubinden, sagte Koeppen: "Beteiligungsplattformen gehören dazu." Das von der Enquete-Kommission genutzte Adhocracy sei aber "nicht so sehr erfolgreich" gewesen "mit wenigen Hunderten Beteiligten". Jarzombek postulierte, dass der Bundestag insgesamt offener werden und etwa auch Zugang für Blogger und Autoren von Wikipedia schaffen müsse mit den gleichen Rechten wie für klassische Journalisten. (anw)