Einmal Afrika und zurück: Streit über Elektroschrott-Export
Ein kaputter Fernseher wird auf einem Wertstoffhof abgegeben, taucht in Nigeria wieder auf – und fliegt kurze Zeit später zurück nach Deutschland. Die seltsame Reise der alten Röhre wirft ein Schlaglicht auf den Handel mit alten Elektrogeräten.
Ein kaputter Fernseher wird von Hamburg nach Nigeria geschippert und dann für 700 Euro Frachtkosten zurück nach Deutschland geflogen – wo er plötzlich wieder funktioniert. Die Reise der alten Röhre wirft ein Schlaglicht auf den Handel mit alten Geräten aus Deutschland. Und auf die schwierige Abgrenzung zwischen illegalem Schrottexport und legalem Gebrauchtwarenhandel.
Alles begann mit einem Experiment der Journalisten von Follow The Money: Sie versteckten einen GPS-Sender in einem alten Fernseher, schnitten dessen Netzkabel ab und gaben ihn vorschriftsgemäß beim Wertstoffhof der Stadt Neumünster ab. Obwohl die Kommune auf ihrer Internetseite versprach, dass alle Geräte umweltgerecht recycelt werden, meldete das GPS-Gerät sich bald aus Nigeria.
Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Deutschland alte Elektrogeräte nach Afrika und Asien exportiert. Und dass die enthaltenen Schadstoffe dort Mensch und Umwelt vergiften. Seit 2010 ist bekannt, dass jährlich mindestens 155.000 Tonnen verschifft werden. Neu ist die Erkenntnis, dass nicht nur am Straßenrand abgestellte Geräte diesen Weg gehen, sondern auch solche aus dem offiziellen deutschen Recyclingsystem.
Die Röhre lebt wieder
Die Journalisten hakten bei der Stadt Neumünster nach. Daraufhin geschah Seltsames: Der GPS-Sender meldete sich plötzlich vom Frachtflughafen in Leipzig. Als nächstes tauchte er in der Firma Behrendt auf, die für die Stadt Neumünster recycelt. Die Firma hatte ihn zurückgekauft – um zu beweisen, dass der Fernseher gar nicht kaputt war und exportiert werden durfte.
"Um zu dokumentieren, dass das Gerät tatsächlich funktioniert, filmte Behrendt sich beim Auspacken und Testen des Geräts", berichtet der Holsteinische Courier. "Nach ein paar Minuten folgte der Beweis: Der Fernseher zeigte ein Bild."
Nun wirft Behrendt den Journalisten Rufschädigung vor, denn diese haben inzwischen in der NDR-Sendung Panorama und in der Zeit von der Reise des Fernsehers berichtet.
Behrendt schreibt: "Das von den freien Journalisten präparierte Gerät war nicht, wie in den Beiträgen behauptet, zerstört. Es war lediglich der Netzstecker durchtrennt. Dieses Gerät hat bei uns nach dem Anschluss eines neuen Netzsteckers einen Bildtest bestanden und durfte daher exportiert werden." Tatsächlich ist Behrendt gesetzlich verpflichtet, eine Wiederverwendung zu prüfen.
Der Export sei auch ökologisch sinnvoll, meint Behrendt: Die geprüften Röhrenfernseher hätten in Afrika ein langes zweites Leben. Der Export von Schrott hingegen sei wegen der effizienten deutschen Recyclingtechnik gar nicht wirtschaftlich. 97 Prozent aller Geräte würden in Neumünster recycelt.
Die Journalisten von Follow The Money halten dagegen, dass selbst funktionierende Geräte früher oder später auf den gefährlichen wilden Deponien in Afrika landen. Außerdem stellen sie in Frage, ob das Gerät tatsächlich vor dem Export repariert wurde oder erst in Afrika.
Schrott oder Gebrauchtgerät?
Der Streit zwischen den Reportern und der Recyclingfirma steht exemplarisch für ein ungelöstes Problem: Wo liegt die Grenze zwischen sinnvollem Gebrauchtwarenhandel und gefährlichem Schrottexport? Und wie lässt sich diese Grenze rechtlich definieren?
Alle Experten sind sich darin einig, dass der Export von Elektroschrott zu Recht verboten ist. Das Umweltbundesamt betont aber auch: "Ein zweites Leben eines bei uns ausrangierten Handys oder Computers schont Ressourcen. Die Wiederverwendung älterer Geräte stärkt – gegebenenfalls nach einer kleinen Reparatur, die bei uns zu teuer gewesen wäre – die Infrastruktur im Importstaat und ermöglicht den neuen Besitzerinnen und Besitzern die Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben."
Das Öko-Institut hat ausgerechnet, dass Ghana jährlich zwischen 100 Millionen und 250 Millionen US-Dollar mit dem Recycling von Elektroschrott erwirtschaftet. Die Branche ernähre bis zu 200.000 Menschen im Land, allerdings seien die Arbeitsbedingungen gefährlich.
Recycling in Afrika verbessern
Die Empfehlung des Umweltbundesamtes lautet deshalb: Erstens muss der Schrottexport unterbunden werden, was mit der (verspäteten) Novelle des Elektro-Gesetzes leichter werden dürfte. Aber es gilt auch, die afrikanischen Länder beim Aufbau einer sicheren Recycling-Infrastruktur für den lokal anfallenden Elektroschrott zu unterstützen. Dafür müssten auch die Hersteller der Geräte geradestehen, die bislang nur für das Recycling in Europa zahlen.
Die Journalisten von Follow the Money haben übrigens noch einen zweiten Fernseher mit einem GPS-Sender präpariert. Diesen zerstörten sie gründlicher – mehrere Kabel wurden durchtrennt – und gaben ihn in Hamburg einem privaten Schrottsammler. Der Fernseher tauchte in Ghana wieder auf, allerdings nicht auf der berüchtigten Elektroschrott-Deponie von Agbobloshie. Er wurde in Ghana repariert und an eine Familie weiterverkauft. (cwo)